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american pieDas falsche Verbrechen

Das Lacrosse-Team der Duke-Universität ist nach einem turbulenten Jahr samt Vergewaltigungsvorwurf rehabilitiert

Es ist die große amerikanische Erzählung: Der Außenseiter überwindet gewaltige Hindernisse, durchschifft gefährliche Strudel und setzt sich gegen alle Widerstände durch. Immer wieder wird sie neu geschrieben, diese alte Geschichte, vor allem im Sport. In den letzten 14 Monaten gelangte immerhin einmal eine Version mit neuen Inszenierungsideen zur Aufführung. Denn zum einem spielte die Hauptrolle diesmal ein ganzes Team, und selten zuvor wohl stand am Beginn der märchenhaften Aufsteigergeschichte ein Kapitalverbrechen.

Oder, um genauer zu sein: ein vermutetes Verbrechen. Im Frühling 2006 veranstaltete die Lacrosse-Mannschaft der Duke University eine Party und buchte dazu eine Stripperin. Das Engagement hätte wahrscheinlich schon für einen kleinen Skandal ausgereicht, wuchs sich aber zur medialen Hetzjagd aus, als die Nackttänzerin bei der Polizei zur Anzeige brachte, sie sei auf der Party vergewaltigt worden. Drei Lacrosse-Spieler wurden angeklagt, Trainer Mike Pressler gefeuert und die Saison des Teams abgesagt. Die folgenden juristischen Auseinandersetzungen wurden begleitet von einer grundsätzlichen Diskussion über den Collage-Sport: Sind die mit Stipendien ausgestatteten Sportstudenten, die mit ihren Auftritten oft das Image einer Universität bestimmen, womöglich außer Kontrolle geraten?

Weil die Stripperin Afroamerikanerin war und Duke eine von vorwiegend wohl situierten Weißen besuchte Universität, bekamen diese Auseinandersetzungen zusätzlich noch einen rassistischen Unterton. Am Montag nun fand die Geschichte ihren versöhnlichen Abschluss. Duke hatte, nachdem die Saison 2006 komplett ausfiel, das Endspiel um die College-Meisterschaft erreicht. Das Finale gegen John Hopkins fand vor der Rekordkulisse von 48.443 in Baltimore statt, ging denkbar knapp 11:12 verloren, aber war wieder einmal eine Werbung für den schnellsten Mannschaftssport auf zwei Beinen, der auf ein bei verschiedenen Indianerstämmen betriebenes Spiel zurückgeht.

Vor allem aber konnte eine ganze Mannschaft ihre endgültige Resozialisierung feiern. „Es war eine einzigartige Situation, mit der meine Spieler klarkommen mussten“, sagte der neue Trainer John Danowski nach der Finalniederlage, „ein Jahr lang sie haben ein vorbildliches Leben geführt. Heute haben sie nur ein Lacrosse-Spiel verloren.“ Die Anklage gegen die drei Beschuldigten war erst im vergangenen Monat endgültig fallen gelassen worden, als ihre Unschuld per DNA-Test bewiesen worden war. Ins Team waren sie nicht zurückgekehrt, aber immerhin beim Endspiel im Publikum. Dort befand sich auch Ex-Coach Pressler. Der hat über seine Erfahrungen ein Buch geschrieben. Zwar ist er sportlich abgestiegen und trainiert nun die Lacrosse-Mannschaft an einer kleinen Universität in Rhode Island, aber auch seine Ehrenrettung ist in vollem Gang. Im Kreuzfeuer der Kritik steht nun stattdessen eine hysterische Öffentlichkeit, politisch angeblich überkorrekte Medien und ein populistisches Gerichtssystem. Ab dem 12. Juni muss sich der damals verantwortliche Staatsanwalt Mike Nifong selbst vor Gericht verantworten, weil er Beweismittel zurückgehalten haben soll.

Nach dem Spiel versicherte Danowski zwar: „Das ist keine Rehabilation. Man wird kein guter oder schlechter Mensch, bloß weil man ein Spiel gewinnt oder verliert.“ Aber sportlicher Erfolg kann zweifellos ein wenig dazu beitragen. THOMAS WINKLER

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