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Die Furcht der Kleinen vor den Großen

ETHNISCHE MINDERHIETEN Die ethnischen Parteien wollen an den Wahlen teilnehmen und sind dagegen, dass ein landesweites Friedensabkommen zur Vorbedingung wird

VON NYEIN EI EI HTWE

Präsident Thein Sein hat die ethnischen politischen Parteien verwirrt und bei ihnen Sorgen vor einer Absage der Wahlen ausgelöst, als er im Oktober erklärte, die Wahlen 2015 und die weitere politische Transformation können nur auf der Basis eines landesweiten Waffenstillstands mit den ethnischen Rebellengruppen erfolgreich sein. Die ethnischen Parteien wollen sich keine politische Einigung in den jahrzehntelangen Konflikten aufdrängen lassen. Deshalb lehnen sie ein Friedensabkommen als Vorbedingung für Wahlen ab.

Den Sprecher der Chin National-Demokratischen Partei, Salai Ceu Bik Thaung, erinnert Thein Seins Rede an die Wahlen 2010. Die konnten in einigen Gebieten der Staaten Kayin- (Karen-), Kachin- und Kayah nicht durchgeführt werden. „Der Präsident denkt wohl, ohne landesweiten Waffenstillstand könne es nur Wahlen in einzelnen Regionen geben. Das wäre nicht fair gegenüber Gebieten mit viel Gewalt“, sagt Salai Ceu Bik Thaung. Denn während die großen Parteien USDP und NLD überregional Wahlkampf machen könnten, hätten die ethnischen Parteien so geringere Chancen.

Salai Ceu Bik Thaungs Chin National-Demokratische Partei gewann 2010 zwölf Sitze. 2015 will sie mit 39 Kandidaten antreten. „Ohne die Wahlen 2015 ist Myanmar wohl kaum als Demokratie zu bezeichnen, der Friedens- und Reformprozess wird stocken und das Misstrauen wachsen“, sagt er.

U Kyaw Min, Ko-Vorsitzender und Sprecher der Partei Mro-Khami Nationalen Solidaritätsorganisation, glaubt an die Wahlen 2015. Seine Partei ist im westlichen Rakhine-Staat beheimatet und vertritt ethnische Chin und Rakhine. 2010 gewann sie neun Mandate. „Finden die Wahlen nicht statt, benachteiligt das Parteien der Minderheiten“, sagt er.

Der Ko-Vorsitzende der Kayan National Partei aus dem Shan-Staat, U Clement, glaubt dem Chef der Wahlkommission, dass 2015 gewählt wird. „Würden die Wahlen auf 2016 verschoben, würde dies die NLD und USPD gegenüber den ethnischen Parteien bevorzugen.“ 2010 gewann seine Partei nur zwei Sitze. „Das untergräbt unseren Einfluss, sodass inzwischen viele unserer eigenen Leute denken, nur die NLD oder andere Parteien könnte ihre Wünsche erfüllen.“

Die ethnischen Parteien finden die Regel unfair, welche die Wahlkampfzeit so knapp begrenzt. Dies bevorzuge große Parteien. Auch gebe es in den meist abgelegenen Regionen der Minderheiten keine Transportmöglichkeiten, was den Wahlkampf erschwert. „Da der Wahlkampf meist per Fernsehen, Radio oder Zeitungen stattfindet, sind wir im Chin-Staat benachteiligt. Auch gibt es nicht genug Telefonleitungen, sodass Reporter auch sonst nur schwer an unsere Infos kommen“, sagt Salai Ceu Bik Thaung.

Wahlkampfzeit zu kurz

Im Chin-Staat gibt es 1.400 Dörfer. Weil es aber kaum Straßen gibt, dauert ein Transport schon in ein Nachbardorf bis zu zwei Tage. Die Wahlkampfzeit ist aber für alle auf nur einen Monat begrenzt. „Wie sollen denn da Parteiwerber erfolgreich arbeiten?“, fragt Salai Ceu Bik Thaung.

U Clement kritisiert, dass Kandidaten selbst nur bis zu 300 Dollar im Wahlkampf ausgeben dürfen: „Für die großen Parteien ist das kein Problem, denn sie haben viele Sponsoren. Für ethnische Parteien ist das aber eine große Herausforderung, denn sie wissen nicht, ob sie überhaupt Sitze gewinnen.“ U Clement sagt, seine Partei habe vergeblich eine dreimonatige Wahlkampfzeit und eine Wahlkampfkostenerstattung pro Stimme gefordert.

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