: Schulpolitisch ein schwarzes Loch
Das Verbot, neue Gesamtschulen einzurichten, führt in Niedersachsen zu Engpässen, die Hauptschule werde abgewählt, sagen die Grünen. CDU-Minister Busemann hat eine andere Wahrnehmung
Die Frage nach Gesamtschulen führt bei Politikern zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen. „Ich fahre jetzt seit zwei Tagen mit offenem Fenster durchs Land“, sagte CDU-Kultusminister Bernd Busemann am Dienstag im niedersächsischen Landtag. „Aber den Ruf nach Gesamtschulen kann ich nicht wahrnehmen.“ Die Ansage war deutlich: Keine erneute Schulstrukturreform und das Verbot, die „Einheitsschulen“ zu errichten, soll auch in der nächsten Legislaturperiode bestehen bleiben.
Neue Gesamtschulen bedeuteten wegen abnehmender Schülerzahlen das Ausbluten vieler Gymnasien und Realschulen, so Busemann. Und überhaupt: Die Pisa-Ergebnisse hätten gezeigt, dass die Schüler der „Gesamtschule in toto“ eine „Lesekompetenz zwischen Hauptschule und Realschule“ hätten.
„Mit Ihrem Neugründungsverbot entmündigen Sie die Eltern in Niedersachsen“, entgegnete die grüne Bildungspolitikerin Ina Korter. Und präsentierte Zahlen, nach denen aktuell 1.600 Schüler an zehn Integrierten Gesamtschulen im Land keinen Platz fanden. In Schaumburg hätten 78 Prozent der angemeldeten Kinder abgelehnt werden müssen. „Das heißt: 521 Anmeldungen standen 112 Plätze gegenüber“, sagte Korter. Die Hauptschule werde dagegen „abgewählt“: Nach 23 Prozent im Jahr 2003 wären im vergangenen Jahr nur noch 14,6 Prozent aller Kinder in dieser Schulform aufgenommen worden.
Schulpolitisch werde Niedersachsen zum „schwarzen Loch“, sagte die SPD-Bildungspolitikerin Ingrid Eckel. In sieben von 16 Bundesländern gebe es keine starre Dreigliedrigkeit mehr. Auch die CDU in Hamburg oder Schleswig-Holstein setzten inzwischen auf eine Abkehr von der Hauptschule, fügte Korter hinzu. Im Land gebe es nur rund 50 Integrierte Gesamtschulen, aber insgesamt 3.200 Schulen, entgegnete Busemann. Und: Die Gesamtschulen sollten doch ihre Zügigkeit ausbauen, das sei keinesfalls verboten: „Führen Sie die Diskussion mit dem örtlichen Schulträger.“
Solche Sätze bringen Eberhard Brandt in Rage. Busemann geriere sich „wie ein kleiner Sonnenkönig“, er sei „trotzig wie ein Kleinkind“, sagt der Landeschef der Lehrergewerkschaft GEW zur taz. Es sei schlicht ein “Witz“, wenn der Minister darauf verweise, dass die Gesamtschulen einfach ihre Kapazitäten erhöhen sollten. Das würden sich die Schulträger verkneifen, betont Brandt, wenn „woanders noch Gebäude leer stehen.“
KAI SCHÖNEBERG
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