: Ein langes Leben lang lernen
UNSINN FRÜHEINSCHULUNG
Was war eigentlich nochmal der Grund dafür, dass in Berlin vor knapp zehn Jahren die Vorschulklassen abgeschafft und stattdessen alle Kinder früher eingeschult wurden? Wühlt man im Archiv, stößt man vor allem auf zwei Argumente der PolitikerInnen, die diese Änderung damals befürworteten: der drohende Fachkräftemangel der Wirtschaft und die Tatsache, dass laut Pisa-Studien Kinder in manchen anderen Ländern schneller lernen als deutsche SchülerInnen.
Deshalb scheuchen wir unsere Kinder mit 5 in ein gestrafftes Schulsystem, das sie möglichst mit 15 auf den Ausbildungsmarkt, mit 17 auf die Hochschulen entlassen soll – wo sie dann mit einem aus denselben Gründen gestrafften Studiensystem in einem dreijährigen Bachelorstudium zu AkademikerInnen gemacht werden – fertig mit 20.
Fertig im doppelten Sinne: Ein Drittel aller SchülerInnen klagt bereits über psychische und psychosomatische Beschwerden von Bauch- und Kopfschmerzen bis zu Depressionen. Die Zahl der Jugendlichen, die mit Ritalin leistungsfähiger gedopt werden, soll an manchen Schulen bei 20 Prozent liegen. Und nicht nur die Kinder leiden: Zeitschriften für Lehrkräfte verdienen gut mit Anzeigen für Burnout-Kliniken.
Was soll der Unsinn? Wer heute 5 ist, hat eine Lebenserwartung von etwa 100 Jahren. Eine Menge Zeit also, etwa für Bildung statt Pauken, für Work-Life-Balance statt Schuften: Es gibt jedenfalls keinen Grund, mit 17 schon auf dem Zahnfleisch zu gehen.
87 Prozent der Berliner Eltern wollen die Früheinschulung abschaffen, ergab eine von der CDU – die das auch will – beauftragte Umfrage. Also, SPD: Weg mit der Früheinschulung! Lass dir von der CDU dafür die Zustimmung zum Umwandlungsverbot von Miet- in Eigentumswohnungen schenken – davon hätten mal alle BerlinerInnen zwischen 5 und 100 Jahren was. ALKE WIERTH
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