: Eine Kita auch für Eltern
ERZIEHUNGSHILFE In der Steilshooper Allee spielen Mütter verschiedenster Nationalitäten gemeinsam mit ihren Kindern. Die Spielgruppe des Eltern-Kind-Zentrums ist ein niedrigschwelliges Integrationsangebot
2007 eröffnete in Hamburg das erste von mittlerweile 29 Eltern-Kind-Zentren. Sie sind in bestehende Kitas integriert und kostenlos.
Sie sollen Eltern kleiner Kinder (0–3 Jahre) ohne Kita-Plätze und in schwierigen Lebenssituationen eine Umgebung mit niedriger Hemmschwelle schaffen, um sie in Erziehungsfragen zu beraten.
■ EKiZ finden sich vor allem in Stadtteilen mit sozialen Problemlagen.
■ Der Rechtsanspruch auf einen Krippen-Platz auch für Kinder unter drei Jahren gilt ab 2013 .
■ Die Stadt unterstützt das EKiZ der Kita Steilshooper Allee monatlich mit rund 4.300 Euro.
Um ihn herum schlurfen Socken über den Parkettboden, klatschen tapsig kleine Hände und singen Frauenstimmen „Ramsamsa gulligulligulli Ramsamsa“.
Der zweijährige Oz blickt mit großen Augen um sich. Er steht allein auf einer Wolldecke, umzingelt von Müttern, die ihre Kinder am Arm führen. „Oz“, ruft ihm seine Mutter zu, die außerhalb des Tanzkreises sitzt, „Oz“. Kurz blickt der Junge zu ihr hin. Dann gilt seine Aufmerksamkeit wieder den Tanzenden. Just in dem Moment nimmt ihn eine Frau an die Hand und reiht ihn in den Kreis der schwofenden Paare ein.
Oz besucht mit seiner Mutter zum ersten Mal das Eltern-Kind-Zentrum (EKiZ) an der Steilshooper Allee. Noch kennt er die Lieder und Gedichte nicht, die die anderen Müttern mit ihren Kindern singen. Man kennt sich, die Atmosphäre ist so familiär, wie es eine Kindertagesstätte zulässt. Viele Mütter spielen hier beinahe jeden Vormittag mit ihren Kindern. „Da entwickeln sich natürlich Freundschaften“, sagt die Betreuerin.
2008 wurde das Zentrum in die Kita an der Steilshooper Allee integriert. Möglichst ohne Hemmschwellen will man hier Familien in schwierigen Lebenslagen beraten und einen sozialen Treffpunkt schaffen: ungezwungen, kostenlos und ohne Voranmeldung. „Viele junge Familien leben sozial isoliert, hier finden sie Kontakte zu anderen Eltern“, sagt Silke Scheffler. Sie berät die Mütter in Erziehungsfragen, gibt ihnen Tipps fürs Stillen und erfährt in Gesprächen von deren Problemen. „Wir leisten hier Integrationshilfe.“
Eltern-Kind-Zentren sind unter anderem ein Resultat des Drucks, dem sich die Hamburger Politik nach dem „Fall Jessica“ im Jahr 2005 ausgesetzt sah. Damals starb ein siebenjähriges Hamburger Mädchen nach jahrelanger Vernachlässigung durch seine Eltern. Familien, die als Härtefälle gelten, erreiche das EKiZ allerdings leider nicht, meint Monika von Raepke, die Leiterin der Kita Steilshooper Allee.
Für solche Familien ist bereits die Beratung in EKiZ mit zu großen Hemmungen verbunden. In diesen Fällen müsse geschultes Personal zu den Familien hingehen. „Wenn man unseren Auftrag aber so liest, dass wir Eltern in Fragen der Erziehung unterstützen, ist unser EKiZ auf jeden Fall ein Erfolg“, sagt von Raepke.
Im EKiZ Steilshooper Allee sind die Nationalitäten der Mütter so bunt gemischt wie die Farben der Plastikbälle, in denen Oz sich mittlerweile mit einem neu gefundenen Kumpel wälzt: Iran, Thailand, Laos, Kroatien, Türkei und viele weitere. Sie alle kommen nach dem Spielen zum Mittagessen gemeinsam an einem Tisch zusammen.
Die Mutter von Oz hofft, dass ihr Sohn hier andere Kinder trifft und lernt, Deutsch zu sprechen, als Vorbereitung für den Kindergarten. Vor zehn Jahren kam sie mit ihrer Familie aus der Türkei nach Deutschland. Sie spricht noch immer kaum Deutsch. Eine anwesende türkischstämmige Mutter hilft bei der Übersetzung. Sie sei stets zu Hause mit den Kindern oder müsse arbeiten. Das sei der Grund für ihr schlechtes Deutsch, sagt sie, und blättert schnell in einem Kinderbuch.
Nach einer Weile sagt sie: „Hier gefällt es mir.“ Ob sie denn auch zum Mittagessen bleiben wolle, wird sie gefragt. Sie schüttelt bestimmt den Kopf. „Ramadan.“ Oz und sie werden aber wiederkommen. Bestimmt.ADRIAN MEYER
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