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Erschöpfte Helden mit Moral

ALLTAG Nach dem Höhenflug in der Europa-League holt Hannover 96 gegen Mainz mit Müh und Not ein 1:1

Präsident Kind sorgt sich, das Team könnte sich zwischen Liga und Europacup aufreiben

Ihr neues Ziel bleibt eine hartnäckige und äußerst schwer zu lösende Aufgabe: Der Sprung an die Tabellenspitze der Fußball-Bundesliga, den Hannover 96 schon in der Vorwoche verpasst hatte, wollte auch gestern nicht gelingen. Die zuletzt erfolgsverwöhnten Niedersachsen mussten sich im Heimspiel gegen Mainz 05 mit einem 1:1 begnügen. Und die bange Frage für die Mannschaft von Trainer Mirko Slomka bleibt, ob dieses Team seinen nun schon fast ein Jahr andauernden Höhenflug wirklich fortsetzen kann.

„Unsere große Herausforderung ist es jetzt, den jüngsten Erfolg zu bestätigen“, findet 96-Klubchef Martin Kind. Die erstaunliche Euphorie in Hannover, für die vor allem das internationale Comeback des Vereins sorgt, findet der Präsident wunderbar. Aber das Alltagsgeschäft, in dem das 96-Team leicht ins Straucheln gerät, besitzt für Kind weiter Priorität. In seinen Worten spielt die Sorge mit, dass sich Hannover im Spagat zwischen Bundesliga und internationalem Fußball zu sehr aufreibt.

Der Weckruf des FSV Mainz 05, den Hannovers müde Helden hinnehmen mussten, hatte es in sich. Nach nur zwei Minuten hatten die Gäste bereits mit einem nahezu perfekten Spielzug das 0:1 erzielt. Eine Traumkombination mit Marcel Risse, die der Ex-Hamburger Eric Choupo-Moting eingeleitet hatte, vollendete Torjäger Sami Allagui zur schnellen Führung für Mainz. Diesem Gegentreffer folgten in den Folgeminuten auch noch Pfostentreffer von Allagui und Niko Bungert per Kopfball. Es war nicht zu übersehen, dass die Profis von Hannover 96 mit einer Mischung aus müden Beinen und müden Köpfen in die Partie gegangen waren.

Erst ein Tor in eigener Sache taugte als Muntermacher, auf den die Mehrheit der 40.420 Zuschauer gewartet hatte. Schnelle Balleroberung, Pass nach außen, Flanke des überragenden Konstantin Rausch, Tor durch Mohammed Abdellaoue: Dieses am Donnerstag in Sevilla eindrucksvoll erprobte hannoversche Strickmuster für Erfolg machte in der 30. Minute den Ausgleich möglich.

Bei dem Bemühen, den großen Taten der vergangenen zwei Wochen einen ganz normalen Bundesliga-Heimsieg folgen zu lassen, war 96-Trainer Slomka sehr hohes Risiko eingegangen. Exakt jener Mannschaft erneut das Vertrauen zu schenken, die noch am Donnerstag im Play-off-Rückspiel der Europa League beim FC Sevilla einen erfolgreichen Kraftakt vollbracht hatte, war eine schöne Belohnung für alle beteiligten Spieler. Aber den zuletzt so lauffreudigen 96-Profis wie Jan Schlaudraff, der in der 49. Minute entkräftet gegen Didier Ya Konan ausgetauscht wurde, und Lars Stindl war ein wenig verwunderliches Maß an Schlappheit anzumerken.

Die Spielfreude und Gedankenschnelligkeit von Mainz 05 bereitete dem Gastgeber gestern jedenfalls große Mühe. Vor allem Allagui war auf dem Weg zu seinem Treffer und vielen weiteren Torchancen nicht aufzuhalten. Dass es trotzdem nicht zu einem Auswärtssieg für die Mainzer reichte, war einer großen Nachlässigkeit bei ihren vielen Torchancen geschuldet – und der guten Moral ihres Kontrahenten.CHRISTIAN OTTO

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