Graue Riesen zu verkaufen

102 Bunker gibt es in Bremen noch – sechs davon bietet die Stadt derzeit feil. Dass es sich in den Betonklötzen gut wohnen lässt, hat der Bremer Architekt Rainer Mielke schon vor 15 Jahren erkannt

An das Elend im Bunker erinnert die alte Lüftungsanlage: „Für den Angstschweiß“ Warum die Stadt nicht selbst Bunker für Probenräume umbaut, versteht Mielke nicht

von Eiken Bruhn

Eine „Spezialimmobilie“ bietet Bremen derzeit auf der Homepage ihrer Gesellschaft für Bremer Immobilien (GBI) an. 470 Quadratmeter Wohn- und Nutzfläche auf einem 836 Quadratmeter großen Grundstück in der Nähe des Krankenhauses Bremen-Ost für 80.000 Euro – ein Schnäppchen, wäre da nicht ein Haken. Es handelt sich um einen Bunker aus dem zweiten Weltkrieg. Sechs dieser Immobilien versucht die GBI gerade zu verkaufen – kein aussichtsloses Unterfangen, wie andere Wohnbunker in Bremen zeigen.

Über einen Mangel an Interessenten kann sich der Architekt Rainer Mielke jedenfalls nicht beklagen. Zusammen mit seinem Geschäftspartner kauft er – bisher nur in Bremen – Bunker und gestaltet sie nach den Wünschen der zukünftigen Besitzer um. Dass sie nicht nur als Architekten, sondern mittlerweile auch als Bauträger tätig sind, hat für sie den Vorteil, mit den zukünftigen Nutzern zusammen planen zu können. „Sonst sagt mir der Bauherr: ‚Mach mal zehn Dreizimmerwohnungen à 80 Quadratmeter‘, aber die braucht ja kein Mensch“, sagt Mielke. Bei den Bunkern hingegen richtet sich die Raumaufteilung weitgehend nach den Bedürfnissen der Bewohner, da es im Inneren kaum tragende Wände gibt.

Drei solcher Projekte haben Mielke und Freudenberg schon realisiert, vier weitere sind derzeit in Arbeit, darunter „F 56“ in der Roonstraße. Das Vorhaben bringt die gegenüber lebenden Hausbesitzer auf die Palme, weil sie eine Beeinträchtigung ihrer Aussicht befürchten, wenn der relativ niedrige Bunker einen Dachaufbau bekommt. Mielke will versuchen, die Bedenken der Anwohner in einem Gespräch zu zerstreuen, macht aber auch deutlich, dass er nicht für alle Sorgen Verständnis hat. „Dass ihnen dann jemand in die Wohnung gucken kann – das Schicksal teilen sie mit den meisten Innenstadtbewohnern.“ Auch der erst 2004 mit öffentlichen Mitteln fertig gestellte Spielplatz vor dem Bunker wird wohl dran glauben müssen – bisher hielten sich die Proteste in Grenzen, sagt Mielke.

Schon im Bau befindet sich „F 51“ in der Schierker Straße in Peterswerder. An allen vier Seiten des Bunkers sind so großzügige Fenster in die einen Meter dicken Wände gesägt worden, dass vom tristen Beton wenig zurück bleiben wird. Etwa zwanzig Tonnen wiegt so ein Block, der pro Fenster anfällt. Um ihn transportieren zu können, wird er noch einmal in zwei Hälften zersägt, erklärt Architekt Mielke. Entfernt wird auch das Treppenhaus im Zentrum mit dem gemalten Hinweis „Rauchen verboten“ und dem erhaltenen fluoreszierenden Leuchtstreifen an der Wand. „Der ist unglaublich hell, das kann man sich bei Tageslicht gar nicht vorstellen.“ Unvorstellbar sei auch, was die Menschen damals bei Bombenalarm aushalten mussten, sagt Mielke und weist auf die alte Lüftungsanlage hin. „Die war für den Angstschweiß.“

Seit 15 Jahren beschäftigt sich Mielke mit den Bunkern, baute als Erster in Bremen einen um, in den er nach mehrjährigem Genehmigungsverfahren und dem Bau 1999 einziehen konnte. Zunächst hatte er allerdings nur ein Stockwerk auf den Betonklotz draufgesetzt, bevor er sich daran traute, auch das Innenleben nutzbar zu machen. Dort ist jetzt eine Galerie für Gegenwartskunst untergebracht. Auf die Idee gekommen war Mielke, weil er früher seinen Proberaum in einem Bunker und seitdem ein Auge für die grauen Riesen hatte. „Wenn man nicht darauf achtet, nimmt man sie gar nicht wahr“, ist Mielkes Erfahrung.

Und weil er aus eigener Erfahrung weiß, wie schwierig es für Bands ist, Proberäume zu finden, und die vor sieben Jahren aus Gründen des fehlenden Brandschutzes aus den Bremer Bunkern herausgeworfen wurden, baute er ein Objekt zum „Musikbunker“ um. Dazu brauche es nicht allzu viel: Einen Notausgang, Wärmedämmung, neue Toiletten und als Bonbon eine verbesserte Akustik. 13 Bands sollen ab Ende nächsten Jahres im „B 35“ in der Findorffer Neukirchstraße unterkommen und etwa 200 bis 250 Euro Miete zahlen. „Klar, Punkbands können sich das nicht leisten“, sagt Mielke. Warum die Stadt nicht selbst ein solches Projekt auflegt, versteht er nicht, schließlich seien nach dem gefluteten Güterbahnhof und dem Rauswurf aus dem Postamt gerade mehr Bands denn je obdachlos. Und Bunker gibt es jede Menge: 55 von 102 Betonklötzen stehen zur Verfügung, seitdem die Bundesregierung im Mai die so genannte Zivilschutzbindung für Bunker aufgehoben hat, dass sie im Falle eines Angriffs nichts mehr nutzen. „Die taugten schon während des zweiten Weltkriegs nicht mehr viel“, sagt Mielke.

Wesentlich aufwendiger als für Proberäume sind die Arbeiten, die für eine Wohnnutzung anfallen. Deshalb lohnt sich der Kauf auch nur in solchen Gegenden, in die solvente Käufer ziehen mögen. Zwischen 250.000 und 350.000 Euro kosten etwa die um die 150 Quadratmeter großen Wohnungen in der Schierker Straße. Eine davon hat Hans-Albert Eike zusammen mit seiner Frau erstanden. Gemeinsam stehen sie vor dem Haus und sehen zu, wie der Eingang der Tiefgarage gesägt wird. Den Vorteil des Bunkerwohnens sieht Eike darin, dass die Wohnfläche auf einer Ebene verteilt ist und sie nicht wie in den Altbremer Häusern so viele Treppen steigen müssen. Auch die Lärmdämmung sei wesentlich besser: „Man hört die Nachbarn nicht mehr husten“, sagt Eike. Außerdem wollten sie gern im Stadtteil bleiben – und freie Bauflächen sind dort rar.

Eikes Vater kann seine Begeisterung für die ungewöhnliche Wohnung nicht teilen. „Der war neulich mit und ist sofort wieder umgedreht“, erzählt der Angestellte der Bremisch Evangelischen Kirche, „der geht da erst wieder rein, wenn es ihn nicht mehr an früher erinnert“.