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Die Vision vom Zentrum Nordeuropas

EXPANSION 2011 stellte die Hamburger Handelskammer eine Studie vor, wie Europa in naher Zukunft aussehen solle: Autobahnen bis zum Abwinken, und Hamburg mittendrin

Die Handelskammer

■ Unternehmen: Die Kammer vertritt knapp 170.000 Firmen des Handels, der Industrie und der Dienstleistungsbranche mit 800.000 Beschäftigten.

■ Umsatz: 140 Millionen Euro hat sie 2012 bewegt; es blieb ein Überschuss von 3,8 Millionen Euro.

■ Einfluss: Auf die Politik versucht die Kammer durch Stellungnahmen und Gutachten Einfluss zu nehmen: 177 davon hat sie 2013 verfasst. Außerdem war sie in die Planung von 68 Straßen und in 26 Bauleitplanverfahren eingebunden. Dazu kamen 176 Pressemitteilungen.

■ Ausbildung: Die Kammer hat knapp 23.000 Auszubildende in fast 5.700 Betrieben betreut.

Sie sieht sich als Motor des Nordens: die Hamburger Handelskammer. Und deshalb machen ihre Pläne nicht an den Stadtgrenzen Halt, und auch über die Metropolregion Hamburg denkt sie weit hinaus. Im Jahr 2030, so hieß es vor vier Jahren in ihrem Zukunftsplan, müsse Hamburg „das wirtschaftliche und politische Zentrum Nordeuropas“ sein. Auf fast 200 Seiten skizzierte diese umfangreiche Studie im Januar 2011, „was zu tun ist, um für die Zukunft unseres Standortes heute die Weichen richtig zu stellen“.

Die Formulierung stammte vom damalige Kammerpräses Frank Horch – sechs Wochen später wurde der parteilose Horch Senator für Wirtschaft, Verkehr und Innovation im SPD-Senat des frisch gekürten Bürgermeisters Olaf Scholz und ist dies noch immer: Kürzer und direkter kann der Draht zwischen Senatskanzlei und Handelskammer nicht sein.

Hauptanliegen der Studie „Hamburg 2030“ ist es, „die zweitgrößte Stadt der viertgrößten Volkswirtschaft der Welt aus dem selbstgefälligen Schlaf der Schönen zu wecken“. Dafür müssten „infrastrukturelle Grundbedingungen“ geschaffen werden, wie Kammer-Hauptgeschäftsführer Hans-Jörg Schmidt-Trenz bei der Präsentation der Studie klarstellte: der Bau der Fehmarnbelt-Querung, deren Anbindung bis Hamburg mit vierspuriger Autobahn und zweigleisiger Bahnstrecke, der Ausbau der Autobahn A 20 um Hamburg herum samt Elbtunnel bei Glückstadt und weiter durchs nordwestliche Niedersachsen bis Oldenburg, eine Elbbrücke bei Geesthacht als Teil einer Autobahn A 21 von Kiel nach Lüneburg, die Y-Trasse für ICEs und Güterzüge zwischen Bremen, Hamburg und Hannover, der Ausbau des Nord-Ostsee-Kanals und die Ausbaggerung von Elbe und Weser bis zur Nordsee.

Angedacht wurde auch eine „Wasserstoff-Autobahn“: Die A 24 zwischen Hamburg und Berlin solle zu einem „Vorzeigeprojekt“ für den Einsatz dieser Technologie ausgebaut werden. Als Sahnehäubchen obendrauf kämen die Olympischen Spiele 2024 oder 2028, um „einen Sprung in der wirtschaftlichen Attraktivität der gesamten norddeutschen Region“ zu erzielen.

All diese Visionen werden mitgetragen von den Industrie- und Handelskammern in Schleswig-Holstein, Bremen und im nördlichen Niedersachsen. Denn auch sie denken in Korridoren, auch sie denken an Autobahnen entlang, die sie „Wachstumsachsen“ nennen. Deshalb ist für sie die A 1 der entscheidende Verkehrsweg „als Kernstück der Metropolverbindung Ruhrgebiet-Bremen-Hamburg-Kopenhagen“. Sie verbinde „Güter und Märkte, Technologien und Unternehmen, Menschen und Ideen“ und sei damit „Motor der wirtschaftlichen Entwicklung“ in der Region, schwärmen die Kammern in schönster Wirtschaftsprosa. Das „Scharnier für die Handelsströme von und in den Ostseeraum“ bildeten die Häfen von Hamburg und Lübeck. Das alles sei nicht nur eine Frage der länderübergreifenden Kooperation, das sei „unser Beitrag zum Denken in Wirtschaftsräumen“.

Und das Denken in persönlichen und politischen Beziehungen beherrschen sie auch. Im November und Dezember 2010 hatten Scholz und Horch sich in mehreren vertraulichen Gesprächen inhaltlich und persönlich angenähert. Und prompt lobte Horch an Silvester in seiner traditionellen Ansprache im Großen Börsensaal der Handelskammer vor 2.000 geladenen Gästen aus Wirtschaft und Politik Scholz ausdrücklich für dessen Tätigkeit als Bundesarbeitsminister in Berlin. Und nicht zufällig hatte dieser sich zwei Wochen zuvor, am 17. Dezember 2010, im selben Saal zum Bürgermeisterkandidaten der SPD küren lassen: Es war das erste Mal, dass ein Parteitag Hamburger Sozialdemokraten in der Handelskammer stattfand, die SPD-Basis durfte schon mal die Atmosphäre dort schnuppern.

Rathaus und Handelskammer bilden einen Gebäudekomplex um einen gemeinsamen Innenhof – was Vorderhaus und was Hinterhaus ist, ist durchaus umstritten in der Hansestadt.

Fakt ist: Die Handelskammer steht dort schon seit 1841, das Rathaus wurde erst 1897 angebaut.  SVEN-MICHAEL VEIT

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