: „Der Justiz großen Schaden zugefügt“
VERFAHREN Ein niedersächsischer Jurist, der Examenslösungen verkauft haben soll, legt ein Geständnis ab – auch weil der Druck durch die Medien zu groß geworden sei
Überraschende Wendung: Im Prozess um gekaufte Jura-Examen hat ein angeklagter Richter ein Geständnis abgelegt. Damit dürfte das ursprünglich bis in den Sommer hinein geplante Verfahren ein frühes Ende finden. Dem Juristen drohen bis zu zehn Jahre Haft.
„Ich möchte die Verantwortung für mein Handeln übernehmen“, sagte der 48-Jährige gestern vor dem Landgericht Lüneburg. „Ich bin mir bewusst, wie groß der Schaden ist, den ich der Justiz zugefügt habe.“ Der Jurist gab damit am dritten Prozesstag zu, als Referatsleiter im niedersächsischen Landesjustizprüfungsamt Prüfungslösungen für das entscheidende Zweite Staatsexamen an Referendare verkauft – oder ihnen zum Verkauf angeboten – zu haben.
„Grundsätzlich räume ich die Vorwürfe genau so ein, wie die Staatsanwaltschaft sie mir vorwirft“, sagte der 48-Jährige in seinem knapp eine Stunde dauernden Geständnis. Nur in Einzelheiten wich er von den elf in der Anklage genannten Fällen ab. In drei ergänzenden Punkten ging das Geständnis sogar über die Anklage hinaus.
Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Bestechlichkeit im besonders schweren Fall, Verletzung des Dienstgeheimnisses und versuchte Nötigung vor. Teils sei Material für fünfstellige Beträge angeboten worden. Gegen bis zu 15 junge Juristen wird gesondert ermittelt.
Der Angeklagte entschuldigte sich mehrfach bei den betroffenen Referendaren, den früheren Kollegen beim Landesjustizprüfungsamt – und bei seiner Ehefrau. „Ich weiß, dass diese Fehler nicht wieder gut zu machen sind“, sagte er. Er hoffe, dass das Vertrauen in die niedersächsische Justiz wieder hergestellt werde und den Referendaren in dem Verfahren eine Aussage erspart bleibe.
„Wir werten das als umfassendes Geständnis“, sagte Gerichtssprecher Volker König. Es sei nicht auszuschließen, dass ein Urteil bereits in der kommenden Woche fallen könnte. Über die Motive des Angeklagten für das Geständnis könne er nur spekulieren. Sicherlich sei das Geständnis bei der Strafzumessung zu berücksichtigen, so König. Der Angeklagte selbst hatte zur Begründung für sein Geständnis auch den Druck durch die Berichterstattung in den Medien genannt. Diese Belastung wolle er seiner Familie nicht weiter zumuten.
In der vergangenen Woche hatte die Vorsitzende Richterin eine von den Verteidigern beantragte Aufhebung des Haftbefehls abgelehnt. Der angeklagte Richter hatte sich Ende März nach Italien abgesetzt und war in Mailand gefasst worden. Das Gericht sah Fluchtgefahr, schließlich drohe dem Mann eine lange Haftstrafe. Zudem könnte ihm eine Zukunft als Richter oder Anwalt verwehrt bleiben. (dpa)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen