: „Wir werden weiter zeichnen, das ist alles, was wir machen können“
GESCHOCKT Reaktionen aus der Kulturszene
Einen Tag nach dem Terroranschlag auf die Redaktion von Charlie Hebdo zeigten sich in Frankreich zahlreiche Künstler und Intellektuelle geschockt. Der niederländische Karikaturist Bernhard Willem Holtrop, genannt „Willem“, der auch für die Satirezeitung gearbeitet hatte, erklärte: „Das ist der Horror. Die gesamte Presse sollte hiermit getroffen werden. Man darf sich davon nicht einschüchtern lassen, man muss weitermachen.“ Sein französischer Kollege Maurice Sinet, bekannt als „Siné“, zeigte sich ebenfalls schockiert. Er habe das Gefühl, „als hätte ich ein sechsstöckiges Gebäude auf die Visage bekommen“. In seinem Alter habe er schon einige Weggefährten verloren, aber „vier auf einen Schlag ermordet von Verrückten, von Kranken“, das sei „zu viel, das ist unerträglich, abscheulich“.
Die französische Filmemacherin Stéphanie Valloatto, die 2014 einen Dokumentarfilm über die Arbeitsbedingungen politischer Karikaturisten weltweit veröffentlichte, zeigte sich fassungslos. In einem Gespräch mit dem Figaro fragte sie: „Wie ist es möglich, dass so etwas in Frankreich passiert? Ich hätte niemals geglaubt, dass man Zeichner hier in Paris ermorden würde“, sagte sie.
Der elsässische Karikaturist und Kinderbuchautor Tomi Ungerer schätzt die Ereignisse apokalyptisch ein. Die Welt sei mit einem „Dritten Weltkrieg“ konfrontiert – dem gegen den Terrorismus, erklärte er gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. Ans Aufgeben denkt er nicht: „Wir werden weiter zeichnen, das ist alles, was wir machen können.“
Ein nicht erklärter Krieg
Auch der indisch-britische Schriftsteller Salman Rushdie, der wegen seines Buches „Die satanischen Verse“ selbst viele Jahre mit dem Tod bedroht worden war, erklärte sich solidarisch mit Charlie Hebdo. „Respekt vor der Religion“ sei mittlerweile ein Synonym für „Angst vor der Religion“ geworden.
Der französische Essayist Pascal Bruckner erklärte in der Tageszeitung Le Figaro, es gebe eine zunehmende Scheu in Frankreich, den Islam öffentlich zu kritisieren: „Man hat das Recht sich über Jesus, Buddha oder Moses lustig zu machen, aber nicht über Mohammed.“ Angesichts der Ereignisse würden in Zukunft nur wenige Leute dagegen angehen, die große Mehrheit werde „nachgeben, weil sie sagt, es ist vernünftiger, die Religion des Propheten zu respektieren“.
Der französische Publizist Bernard-Henri Lévy, der sich in der Vergangenheit häufiger kritisch zu Islamismus und Multikulturalismus geäußert hatte, beschrieb die vier getöteten Karikaturisten im französischen Fernsehen als „Kriegsreporter eines nicht erklärten Krieges“. Frankreich befinde sich seit dem gestrigen Tag in einem „Krieg neuen Typs, einem Krieg ohne Fronten“. LUISE CHECCHIN
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