: „Die Gegend ist total uninteressant“
Heute werden die Marco-Polo-Terrassen und der Vasco-da-Gama-Platz in der Hafencity offiziell eröffnet. Ein Gespräch mit dem „gemeinen Sprayer“ über Graffiti, die Wände und die zombiehaften Bewohner der Hafencity
taz: Gemeiner Sprayer, wirst Du der Erste sein, der sein Zeichen in die Hafencity sprüht?
Der gemeine Sprayer: Wahrscheinlich nicht, die Gegend ist uninteressant zum Taggen. Da ist ja nichts und die Polizei ist zu nah dran. Die Hafencity ist eine Festung, ich frage mich, ob die nicht eine Zugbrücke dran bauen, die sie auf und zu machen können.
Gibt es keinen Anreiz in der Hafencity zu sprühen?
Nein. Die Gegend ist total uninteressant. Da sind nur Reiche und Touris, außerdem gibt es wenig Wandmöglichkeiten. Das einzig Spannende wäre, da mal eine Yacht zu bomben oder ein Segel zu bemalen. Vielleicht könnte man auch Wände zum Wasser hin bemalen, dann sehen das immerhin die Touriboote und der Schiffsverkehr.
Aber die Hafencity ist doch gänzlich unbemalt. Will man da nicht erst recht was hinmalen?
Wenn da gemalt wird, bleibt das bestimmt nur einen Tag stehen und dann muss irgend ein armer Typ das wieder wegmachen. Das ist die Mühe nicht wert.
Also erstmal keine Malereien?
Die Hafencity ist noch zu frisch, wahrscheinlich muss man das alles zehn Jahre stehen lassen, damit jeder sieht, wie hässlich das ist. Dann vielleicht. Spannend wäre, den Kaispeicher von der Elbphilharmonie zu bemalen, das ist ja ein Prestigeobjekt. Damit würde man bestimmt viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen, auch von den Medien. Aber wahrscheinlich wäre das nicht so eine gute Aktion. Mit populären Aktionen erreicht man nur, dass die Strafen härter oder die Leute gesucht werden.
Wie gefällt Dir die Architektur der Hafencity?
Das ist doch alles nur Glas und Stahl. Bei der Architektur sind Technik und Wirtschaft die entscheidenden Faktoren. Kultur ist da eher auf einem niederen Level angesiedelt. Bei neuen Häusern wird jetzt oft ein Gitter hochgezogen, an dem Pflanzen wachsen. Dann kann man da nicht drauf sprayen. Ich weiß nicht, ob das in der Hafencity auch so aussieht.
Du scheinst kein Fan der Hafencity zu sein…
Ich finde, die Hafencity ist so eine Art Disneypark. Da wohnen die Wirtschaftszombies und sonst laufen da noch so ein paar andere roboterartige Wesen rum. Ich glaube nicht, dass die meine Kunst mögen. INTERVIEW: ANNIKA STENZEL
„Der gemeine Sprayer“, 28, nennt sich auch „miscellaneous“ und wohnt in Hamburg. Mehr will er nicht verra- ten.
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