: Akademiker in die Produktion!
JOBMASCHINE UNI Die Ausgründungskultur deutscher Hochschulen ist auf dem richtigen Weg. Aber es muss noch mehr passieren. Das liegt nicht allein an den Unis. Sie können in Teilen bereits erfreuliche Bilanzen vorweisen
VON LARS KLAASSEN
Beim diesjährigen Businessplan-Wettbewerb Berlin-Brandenburg (BPW) hat das Gründungsteam der Virtenio eine richtig gute Figur gemacht: Die GmbH entwickelt, produziert und vertreibt drahtlose Miniaturcomputer, sogenannte Sensorknoten, die mit minimalem Energiebedarf permanent Informationen sammeln, verarbeiten und weiterleiten können. Diese Systeme arbeiten autark als eine Art Sonde oder im Netzwerkverbund und schaffen damit neue Anwendungen, die auf vielfältigen Gebieten einsetzbar sind.
Den Gründungsservice der TU Berlin nutzen Hunderte
Das Start-up der TU Berlin wurde Sieger in der Kategorie BPW technology der dritten Wettbewerbsrunde. Darüber hinaus war Virtenio bereits in der 1. und 2. Stufe siegreich aus dem Wettbewerb hervorgegangen. Damit ist es erst zum zweiten Mal in der Geschichte des BPW einem Team gelungen, in allen drei Stufen des Wettbewerbs zu gewinnen. Dieses Einzelbeispiel ist erfreulich, aber was sagt das über eine Universität als Jobmotor aus?
Beim Businessplan-Wettbewerb Berlin Brandenburg wurde der TU Berlin im vergangenen Jahr als gründungsaktivste Hochschule der Titel „Ideenschmiede“ verliehen – und das bereits zum vierten Mal. Mit dem im Jahr 2007 an der TU Berlin eingerichteten Gründungsservice stehen TU-Mitgliedern umfassende Qualifizierungs- und Beratungsmöglichkeiten bis hin zur Gründungswerkstatt und konkreter Hilfestellung bei der Beantragung von Fördermitteln zur Verfügung.
„Mehr als 500 Personen haben im Jahr 2009 diese Angebote genutzt“, berichtet Agnes von Matuschka, Leiterin des Gründungsservice. „Durchschnittlich gründen sich 20 Unternehmen pro Jahr aus der TU Berlin aus.“ Die Universität bietet neben Beratung auch Lehrveranstaltungen an, die Studierenden und wissenschaftlichen Mitarbeitern unternehmerische Kompetenzen vermitteln. 2010 gründete die TU Berlin zudem ein Zentrum für Entrepreneurship.
Hochschulen sind wichtige Impulsgeber für Innovationen. Doch in Deutschland werden deren Potenziale noch zu selten für unternehmerische Aktivitäten genutzt. Dieser Erkenntnis setzte die Bundesregierung eine Kraftanstrengung entgegen: In den Jahren 1998 bis 2005 wurden im Rahmen der Programme Exist I und Exist II insgesamt rund 44 Millionen Euro aufgewendet, um an 86 wissenschaftlichen Einrichtungen eine Kultur der Selbstständigkeit zu initiieren.
Der Erfolg ist schwierig zu messen. „Ein Effekt auf die Gründungstätigkeit ist bis 2008 nicht nachweisbar“, konstatierte das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) im Mai dieses Jahres nach einer Evaluation der beiden Programme. Das sagt zwar noch nicht viel über den aktuellen Stand der Dinge aus, denn seitdem folgte mit breiterem Fokus das Programm Exist III. Und dieses wurde 2010 von Exist IV abgelöst. Die vom ZEW konstatierte Bilanz wirft dennoch die Frage auf: War das Programm eine Fehlzündung?
Dietrich Hoffmann, Fachbereichsleiter Unternehmensgründung beim Projektträger Jülich, das die Exist-Programme umsetzt, antwortet mit einem klaren: „Nein. Die Programme Exist I bis III zielten darauf ab, Strukturen zu schaffen, die Gründungen befördern. Die Wirkung dieses Wandels, das heißt eine Unterstützungsstruktur und die reale Zahl von Gründungen, lässt sich erst nach Jahren – also jetzt – wahrnehmen.“ So habe 1997 in Deutschland lediglich eine Gründungsprofessur existiert, nun seien es über 70. „Erst nachdem Curricula überarbeitet worden sind und etwa Lehrformen aufs Gründungswesen ausgerichtet wurden, war eine Basis geschaffen, die nun greifen kann.“
Exist IV strebt eine neue Qualität an, eine ganzheitliche und nachhaltige Gründungskultur: „Nun kommen wir in den Exzellenzwettbewerb für Gründerhochschulen“, erläutert Hoffmann. Neben Bildung und Forschung soll Entrepreneurship als weitere Säule in den Leitbildern gestärkt werden. Dies entspricht auch den Empfehlungen der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI), die in ihrem Gutachten zu Forschung, Innovation, und technologischer Leistungsfähigkeit 2009 feststellte: „Der Wissens- und Technologietransfer aus der außeruniversitären Forschung und aus den Hochschulen sollte mit hoher Priorität weiter ausgebaut werden. Dieses Ziel darf trotz des berechtigten Strebens nach wissenschaftlicher Exzellenz nicht vernachlässigt werden.“
Deutschland kann sich mit seinen Förderprogrammen für Gründer zwar sehen lassen. Aber auch aufseiten der Finanzierung hakt es: Venture Capital lässt sich hier schwerer akquirieren als in den USA. Gerade dieser Faktor ist bei akademischen Gründungen entscheidend. Laut Gründungspanel von ZEW und KfW Bankengruppe vom Oktober 2009 spielt das Innovationsverhalten für junge Unternehmen bei der Schaffung von Wettbewerbsvorteilen gegenüber ihren etablierten Konkurrenten eine große Rolle. Für Gründungen aus Hochschulen heraus dürfte dies umso mehr zutreffen.
Bei vielen mangelt es schlicht am Geld
Das Gründungspanel stellt aber schon im Allgemeinen fest: „Knapp ein Viertel der jungen Unternehmen konnte im Jahr 2008 Innovationsprojekte nicht wie geplant umsetzen. Der wichtigste Grund dafür war eine unzureichende Finanzierung (58 Prozent).“ Dies mag in Teilen der Wirtschafts- und Finanzkrise geschuldet sein. Doch auch hier mahnt das EFI-Gutachten grundsätzlich: Der im internationalen Vergleich unzureichend entwickelte deutsche Markt für Wagniskapital stelle eine zentrale Schwäche des deutschen Innovationssystems dar.
Immerhin: Dass auch unter diesen Bedingungen munter gegründet werden kann, machen Hochschulen wie die TU Berlin vor. Solche Beispiele verdeutlichen, dass Exist I und II wohl doch nicht ganz spurlos an der deutschen Hochschullandschaft vorbeigegangen sind. Auf die Folgen von Exist III und IV kann man also gespannt sein.
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