: Packende Muskelspiele
Das Internationale Stadionfest gibt es seit 70 Jahren. Es ist beliebt wie schon lange nicht mehr – obwohl deutsche Athleten keine Chancen haben
VON TORSTEN HASSELBAUER
Die Leichtathletik ist auch nicht mehr das, was sie mal war. Die Zuschauerzahlen in den Stadien und vor dem Fernseher sind seit einigen Jahren stark rückläufig. Das Thema Doping ist allgegenwärtig, und in Deutschland fehlen die nationalen Stars in den attraktiven Laufdisziplinen. Kaum einer weiß besser um die Krise der olympischen Kernsportart als der geschäftsführende Gesellschafter des Istaf-Berlin, Gerhard Janetzky. Seit nunmehr fünf Jahren organisiert und gestaltet der 57-Jährige ehrgeizige Sportmanager das europaweit wohl größte Leichtathletik-Meeting im Berliner Olympiastadion. Am kommenden Sonntag ist es wieder soweit. Zum 66. Mal schon wird das Istaf dann in Berlin ausgetragen – und feiert ganz nebenbei seinen 70. Geburtstag. Rund 200 Sportlerinnen und Sportler treten an.
Für Janetzky ist das ein besonderer Grund zu feiern. Gleichzeitig kann und will er auch im Jubiläumsjahr seine Zukunftssorgen nicht verheimlichen: „Jeder weiß, dass sich das Istaf verändern muss, will es als attraktive Leichtathletikveranstaltung weiter erfolgreich bestehen.“
Das Internationale Stadionfest (daher die Abkürzung Istaf) wurde offiziell am 23. März 1937 aus der Taufe gehoben. Gleich drei Berliner Sportvereine – der Berliner Sport-Club, der Deutsche Sport-Club und der Sport-Club Charlottenburg – beschlossen, ein internationales Sportfest zu organisieren. Sie wollten die sportliche Euphorie der Nazi-Olympiade ein Jahr zuvor in Berlin nutzen, um ein eintägiges Leichtathletik-Event zu etablieren.
Es ging gleich gut los. 85.000 Zuschauer im Olympiastadion, zwei Weltrekorde und ein Europarekord bildeten den sportlich gelungenen Auftakt. Diese Zuschauerzahl bedeutet immer noch Rekord in der nunmehr 70-jährigen Geschichte des Istaf. Am Sonntag werden es zwar rund 10.000 Besucher weniger sein; das sind aber immerhin gut 15.000 mehr als im Vorjahr und damit ein Nachkriegsrekord. „Wir wissen, dass wir diesen enormen Zuschauerzuspruch unserem Jubiläum und der intensiven Werbung zu verdanken haben. Solche Zahlen werden wir in Zukunft nicht automatisch verbuchen können“, erklärt Janetzky ganz realistisch.
Dabei hat Berlin gegenüber anderen Austragungsstätten sogar noch einen besonderen Vorteil. Das Istaf ist die letzte Station der „Golden League“. Hier entscheidet sich, welcher Sportler den vom Internationalen Leichtathletik-Verband ausgelobten Jackpot von einer Million Euro in Form von Goldbarren erhält. „Go for Gold“ lautet auch der deshalb wenig originelle Slogan des Istaf-Meetings. Für das Gold muss der Athlet bei sechs europäischen Meetings („Golden League“) hintereinander gewonnen haben. Die Stationen dieser lukrativen Serie waren bisher Oslo, Paris, Rom und Zürich. Am Freitag folgt der Wettkampf in Brüssel, zwei Tage später dann Berlin. „Der Finalcharakter macht sicher auch die besondere Spannung des Istaf aus“, mutmaßt Janetzky, dem für die Organisation in diesem Jahr immerhin ein Etat von 2,6 Millionen Euro zur Verfügung steht.
Damit gelang es den Organisatoren immerhin 35 WM-Medaillengewinner, davon zehn „goldene“ der vor zehn Tagen beendeten Leichtathletik-WM im japanischen Osaka nach Berlin zu locken. Ein sportlich hochkarätiges Teilnehmerfeld also, was in 16 Disziplinen im Olympiastadion gegeneinander antritt. So ist es auch zu erklären, dass immerhin gut ein Drittel der Tickets außerhalb von Berlin verkauft wurden, sich knapp 160 Fernsehsender angesagt haben und rund 65 Millionen Zuschauer auf der ganzen Welt die Wettkämpfe am Bildschirm verfolgen dürften.
Als ein Highlight gilt das zur WM-Revanche hochstilisierte 100-Meter-Hürden-Rennen der Frauen. Hier treffen die Weltmeisterin von Osaka, Michelle Perry (USA), und die in Japan zweitplatzierte Perdita Felicien (Kanada) aufeinander. Spannung verspricht auch der 400-Meter-Lauf der Frauen. Da treten die beiden derzeit auf dieser Strecke schnellsten Frauen gegeneinander an: die neue Weltmeisterin Christine Ohuruogu aus Großbritannien und die amerikanische Weltranglistenerste Sanya Richards. Die US-Amerikanerin ist neben der russischen Stabhochspringerin Jelena Isinbajewa die einzige Athletin, die in diesem Jahr in ihrer Disziplin alle europäischen Meetings gewinnen konnte.
Aus deutscher Sicht soll über 200 Meter Tobias Unger und über 400 Meter der Jungstar Bastian Swillims zumindest gut mitlaufen. Echte Siegchancen haben beide nicht. Da die technischen Disziplinen im Programm fehlen, werden deutsche Sportler auf dem Siegerpodest wohl fehlen. Diskuswurf, Kugelstoßen oder Hammerwurf gelten als nur wenig attraktiv fürs Publikum, deshalb sind sie immer seltener zu sehen. „Da machst du eigentlich nur den Rasen kaputt. Dazu kann kaum jemand nachvollziehen, wer in Führung liegt und am Ende gewinnt“, so Janetzky.
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