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Bauer sucht Boden

LANDWIRTSCHAFT II Für Jungbauern in Brandenburg wird es immer schwieriger, an eigene Flächen zu kommen. Eine Genossenschaft will nun für Existenzgründer als Grundstückskäufer einspringen. Das erste Projekt ist gestartet und sucht Unterstützer

Ökonauten eG

■ Ziele: Land gemeinsam erwerben und langfristig für den ökologischen Landbau sichern. Existenzgründer und Bauern in der Region Berlin-Brandenburg unterstützen. Mitglieder langfristig mit guten Lebensmitteln aus der Region versorgen.

■ Beteiligung: Voraussetzung ist der Eintritt in die BürgerLandGenossenschaft (Ökonauten eG). Hierfür sind mindestens zwei Genossenschaftsanteile zu je 250 Euro zu zeichnen. Jedes Mitglied haftet dabei maximal in der Höhe seiner Genossenschaftsanteile, nicht darüber hinaus. Die Genossenschaft arbeitet nach eigenen Angaben transparent und demokratisch: Die Mitglieder sind Mitunternehmer, sie können also auch aktiv an der Genossenschaft mitwirken, die Kosten und den Preis von Nahrungsmitteln nachvollziehen und selbst beeinflussen.

■ Kontakt etc.: Auf der Website www.oekonauten-eg.de gibt es ausführliche Informationen zur Genossenschaft, ihren Plänen und den Möglichkeiten der Beteiligung.

VON JANA TASHINA WÖRRLE

Im Hofladen im Kiez gibt es Biowalnüsse aus Deutschland – eine Ausnahme, denn Walnussplantagen sind hierzulande selten. Die meisten Nüsse werden importiert, obwohl sie bei hiesigem Klima eigentlich gut wachsen. Vivian Böllersen möchte das ändern. Im letzten Sommer hat die Neuköllnerin ihren Master in Öko-Agrarwissenschaften an der Hochschule in Eberswalde abgelegt. Nun möchte sie sich selbstständig machen und Walnussbäume pflanzen. Doch sie kommt weder aus einer Bauernfamilie mit eigenem Land, noch sind Agrarflächen einfach zu bekommen – im Gegenteil.

Der Kampf um die Flächen tobt in Brandenburg und anderen ostdeutschen Bundesländern besonderes stark. Die DDR-Geschichte und die daraus resultierenden große LPGs haben dafür gesorgt, dass die Flächenverteilung noch immer in viel größeren Dimensionen verläuft als im Westen. Seit Beginn der Finanzkrise sehen immer mehr finanzstarke, branchenfremde Investoren Profitchancen beim Kauf von Agrarflächen und großen Betrieben. Zudem wird fruchtbares Ackerland immer knapper, weil sich die Städte ausdehnen und sich Böden durch eine intensive Landwirtschaft stetig verschlechtern. Interessant sind diese großen Flächen auch für diejenigen, die Energiepflanzen wie Mais anbauen. Dafür gibt es eine hohe Förderung von der Bundesregierung.

Ein Teil der Flächen liegt in der Hand der Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH (BVVG), die sie im Auftrag des Bunds verpachtet und frei werdende Flächen zum Höchstpreis verkauft. Die Preise für Acker- und Grünland im BVVG-Gebiet erhöhten sich 2014 aufgrund der hohen Nachfrage um 12 Prozent. Landgrabbing ist kein Phänomen, das nur Entwicklungsländer betrifft. Es findet auch vor unserer Haustür statt.

„Landwirtschaft ist durch hohe Subventionen zu einem attraktiven Geschäft auch für renditeorientierte Unternehmen geworden. Diese setzen eher auf Masse als auf Klasse“, kritisiert Willi Lehnert. Auch er hat in Eberswalde Agrarwissenschaften studiert und leitet nun die Kampagne „Bauer sucht Land“ vom Bündnis Junge Landwirtschaft und weist die Politik auf die Schwierigkeiten von Existenzgründern hin. In der Bodenvergabe gäbe es seiner Ansicht nach konkrete Steuerungsmöglichkeiten für die Förderung von Existenzgründern und bäuerlichen Betrieben, doch „die Landesregierung sieht beim Ausverkauf Brandenburgs tatenlos zu“.

„Nur mit einer Idee kommt man nicht weit, man braucht ausreichend Startkapital und muss sich gegen viele Interessenten durchsetzen, wenn man Land kaufen oder einen Betrieb übernehmen will“, sagt Ulrich Jasper von der Arbeitsgemeinschaft bäuerlicher Landwirtschaft (AbL). Derzeit arbeitet eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe daran, neue bodenmarktpolitische Ziele zu formulieren. Ihr Abschlussbericht wird im März 2015 erwartet. Und auch der Deutsche Bauernverband kritisiert in einem Positionspapier vom Oktober 2014 den Anstieg der Preise und dass immer mehr externe Investoren die Landwirtschaft für sich entdecken.

Jasper hält die Ansätze für nicht mutig genug. Er fordert, bestehende Gesetze endlich anzuwenden – wie die Genehmigungspflicht durch die Landkreise vor dem Verkauf oder der Verpachtung von großen Flächen. Zudem sollten ortsansässige Landwirte sowie Existenzgründer ein Vorkaufsrecht haben.

Speziell für Brandenburg fordert Willi Lehnert, dass sich die Landespolitik endlich den Problemen der Gründer annimmt. „Alle jammern, dass der Nachwuchs auf dem Land fehlt, aber die jungen Leute bekommen gar keine Chance“, sagt er. Die Nachfrage nach regionalen Bioprodukten von kleineren Höfen sei hoch. Gerade in Berlin gebe es dafür einen Markt – „aber das wollen die Politiker nicht sehen“.

Zwar gebe es bei der BVVG mittlerweile auch beschränkte Ausschreibungsverfahren, bei denen der Ökolandbau und Junglandwirte berücksichtigt werden. Doch auch dann bestimmt der höchste Preis, wer den Boden kaufen kann.

Bio braucht mehr Fläche

Guter Boden ist wertvoll und für Landwirte wie Vivian Böllersen fast aussichtslos zu bekommen – besonders wenn sie auf Bio setzen und deshalb mehr Flächen für den selben Ertrag wie auf einem konventionellen Feld benötigen. Erst versuchte es die angehende Walnussbäuerin ganz klassisch mit einem Kredit bei der Bank. Doch ohne einen gewissen Grundstock an Eigenkapital und mit einer Anbauidee, die frühestens in sechs bis sieben Jahren erste Früchte trägt, sind die Aussichten schlecht. „Die Bäume müssen erst einmal wachsen. Das dauert“, sagt die 27-Jährige.

Willi Lehnert, den Böllersen noch von der Hochschule kannte, brachte sie in Verbindung mit einer Gruppe von Berlinern und Brandenburgern, die sich der schwierigen Bodenverkaufspraxis auf ganz eigene Art annahmen. Böllersen ist nun Genossenschaftlerin der Ökonauten eG. In Velten hat sie ein Grundstück gefunden, dass zum Verkauf stand. Der private Besitzer wollte es nicht länger verpachten, sondern verkaufen, und ließ sich von der Idee des Walnussanbaus überzeugen.

Kaufen wird Böllersen allerdings nicht selbst, sondern die neu gegründete Genossenschaft, zu deren Mitinitiatoren sie selbst und Willi Lehnert gehören. „Vertraglich zugesichert ist mir allerdings, dass ich hier meine Nüsse langfristig anbauen kann und sie selbst vermarkten darf“, erzählt Böllersen. Die Genossenschaft gibt einige Bedingungen für den Anbau vor, wie etwa die Ökozertifizierung. Das wäre für Vivian Böllersen allerdings sowieso selbstverständlich gewesen, denn Bio ist ein wichtiges Verkaufsargument.

Ihren Lebensunterhalt verdient die Jungbäuerin derzeit mit einem Teilzeitjob im Hofladen im Kiez in Schmargendorf. Erfahrung im Verkauf von Biowaren sammelt sie hier reichlich, und sie bekommt mit, wo der Markt Lücken hat. Im Frühjahr 2014 hat sie deshalb die „Interessengemeinschaft Nord-Ost-Deutscher Walnussbauern“ mit auf die Beine gestellt – ein Netzwerk innerhalb Deutschlands von Biolandwirten, die den Anbau von Walnüssen vorantreiben wollen.

Bis auf ihren 4,5 Hektar in Velten allerdings Walnüsse wachsen, will sie die Flächen zwischen den Setzlingen mit Beerensträuchern, Quitten, Holunder und anderem Wildobst nutzen. Langfristig profitieren davon die Genossenschaftsmitglieder, die Teile der Ernte bevorzugt kaufen können. „Wir zahlen unseren Mitgliedern keine Dividende. Es geht uns darum, die Mitglieder der Genossenschaft zu fairen Preisen mit regionalen Ökolebensmitteln zu versorgen und die Landwirte für ihre Arbeit angemessen zu entlohnen“, sagt Frank Viohl, einer der Initiatoren und Vorstandsmitglied der Ökonauten eG. Viohl ist selbstständiger Regionalberater und setzt sich seit Langem für das Thema „Solidarische Landwirtschaft“ und die Gründung von Versorgungsgemeinschaften ein.

Vivian Böllersen wird kein Gemüse anbauen, sondern Wildobst und Walnüsse. Doch Gemüse könnte von einem der nächsten Projekte kommen. „Für 2015 haben wir schon Anfragen“, sagt Viohl. Kurzfristig geht es allerdings erst einmal darum, das Grundstück in Velten zu sichern. Dafür müssen noch weitere Genossenschaftsanteile an den Mann und die Frau gebracht werden. Der Kauf soll Ende Februar stattfinden. Vivian Böllersen kann dann noch in diesem Jahr loslegen mit dem Pflanzen der ersten Bäume und Sträucher.

„Im Gegensatz zur Brandenburger Regierungspolitik haben wir eine Vision für den ländlichen Raum“, sagt Lehnert. Die Genossenschaft will Flächen erwerben und an bäuerliche Betriebe und Existenzgründer verpachten. „Ich bin der Meinung, dass es genügend Menschen gibt, die eine andere Landwirtschaft wollen und diese können nun gemeinsam etwas dafür tun“, wirbt Frank Viohl für den Ansatz der bürgerschaftlichen Initiative. Sie wollen auch eine Brücke schlagen zwischen der großen Nachfrage nach Biolebensmitteln und einer regionalen Erzeugung, von der wirklich die nahe Umgebung und die Bürger profitieren.

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