piwik no script img

Erst mal zu Penny

NATIONAL GALLERY Rembrandts Wachen waren ein Testlauf der Privatisierung

Vielleicht war der Dokumentarfilm „National Gallery“ von Frederick Wiseman doch nicht so schlecht. Er ließ einen jedenfalls Lunte riechen. Hat die National Gallery über den Ehrgeiz hinaus, ein erfolgreiches Unternehmen zu sein, noch irgendeinen Anspruch?, fragte man sich ratlos am Ende des Films, in dem die Geschäftigkeit des Museums so breiten Raum einnahm.

Offensichtlich nicht. Gerade ist die Ausstellung mit Spätwerken Rembrandts erfolgreich zu Ende gegangen, da stellt sich heraus, dass die Schau nicht, wie zu erwarten, in erster Linie kunsthistorisch beispielhaft sein wollte, sondern betriebswirtschaftlich. Rembrandts Wachen waren nicht die gewohnten Museumswärter, sondern Angestellte einer privaten Sicherheitsfirma. Für sie dürfte es eine wirkliche Abwechslung gewesen sein, kümmern sie sich doch sonst um Industrieanlagen.

Natürlich hatte die Belegschaft der National Gallery diesem Coup des scheidenden Direktors Nicholas Penny – was für ein sprechender Name! – gegenüber ihr Missfallen geäußert. Dass er nur Testlauf war, für ein umfassendes Privatisierungskonzept, konnten sie nur ahnen. Jetzt ist es aber heraus, Nicholas Penny plant als seine letzte Amtshandlung eine öffentliche Ausschreibung sämtlicher Dienstleistungen seines Hauses, den Besucher-Service, Information, Buchungen für Schulen und eben Sicherheit inbegriffen.

Zwei Drittel der 600 Angestellten der National Gallery wären von diesem Schritt betroffen. Chris Dercon, Direktor der Tate Modern und damit Pennys Kollege, hat vor einem Jahr in der Süddeutschen Zeitung berichtet, wie sehr ihn die niedrigen Gehälter seiner Angestellten bedrückten. Sie könnten von ihrer Arbeit im Museum nicht leben und seien auf Zweit- und Drittjobs angewiesen. Derweil schössen die Preise für zeitgenössische Kunst durch die Decke.

Woher sollen eigentlich Leute kommen, die die Jobs noch billiger machen, möchte man Herrn Penny fragen. Oder machen das jetzt die Töchter und Söhne aus reichem Haus, die Geld nicht brauchen, weil sie es längst haben? Hauptsache, das lästige Kleinbürgertum verschwindet endgültig aus London? Bevor dieser Gentrificationstraum wahr wird, hat allerdings die Gewerkschaft Public and Commercial Services Union zu einem Warnstreik Anfang Februar aufgerufen. BRIGITTE WERNEBURG

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen