piwik no script img

Ministrant aus der Reserve

MORD UND RELIGION

Vom Islam muss gar nicht die Rede sein, damit die kleine Geißel Gottes zuschlägt

Matthias Matussek ist Quäker. Okay, kleiner Scherz: Der homophobe Welt-Autor ist strammer Katholik und inhaliert allsonntäglich den Leib Christi. Aber sobald ihm das Thema „Islam“ auf den Altar kommt, quäkt er los wie’s Kindlein in der Krippen.

Das heißt, vom Islam muss gar nicht die Rede sein, damit die kleine Geißel Gottes zuschlägt. Matussek reicht dazu ein Kapitalverbrechen und ein türkischer Name. Beziehungsweise dessen Fehlen: Als die Berichte über den bestialischen Mord an einer Schwangeren in Adlershof durch die Medien gingen, aber nur Bild den Namen des mutmaßlichen Haupttäters nannte, hackte er ins Facebook: „Vermutlich ging es da mal wieder um ‚Ehre‘ und so’n Scheiß. Ist das jetzt die neue Sprach- bzw. Schweigeregelung, nachdem die neue Richtlinie von oben bestimmt hat: ‚Der Islam gehört zu Deutschland‘?“

Weil die virtuelle Gemeinde nicht gleich geschlossen auf die Knie fiel, schippte Matussek noch ein paar Löffel Hass-Weihrauch in die Glut. „Das türkische Arschloch hat sich vielleicht von einer Arschloch-Ideologie dazu legitimiert gesehen, da finde ich … die Nationalität durchaus wichtig.“ Und: „Auf jeden Fall isses so unfassbar tragisch, dass diese Scheiß-Mittelalter-Wüsten-Ehren-Ideolgie ja nun auch zu Deutschland gehört.“

Was Matussek nicht wusste: Der Pressekodex des deutschen Presserats fordert seit Langem, in der Berichterstattung über Straftaten „die Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten“ nur zu erwähnen, „wenn für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründbarer Sachbezug besteht“. Ist ihm aber auch wurscht, die Bild hält sich ja auch nicht dran.

Seitdem hat auch die taz über die türkischen Wurzeln des Täters geschrieben. Denn die Staatsanwaltschaft signalisierte, es gebe Hinweise auf einen „Ehrenmord“. Und in diesem Kontext kann die ethnische Zugehörigkeit Relevanz besitzen. Wobei es eben bislang nur Verdachtsmomente gibt und die Konstellation nicht so recht zu dem allgemein üblichen „Ehrenmord“-Konzept passt, bei dem ja ein Familienmitglied das Opfer ist.

Für einen Ministranten der Reserve wie Matthias Matussek ist da natürlich längst alles klar. Insbesondere, und hierin liegt die Pointe, dass „der Islam“ den Mann zum Mörder gemacht hat. Bei allen Vorbehalten, die man als aufgeklärter Mensch gegenüber Religionen empfinden mag: Wenn einer der Ex ein Messer in den Bauch rammt, hat das andere Gründe. Durchaus möglich, dass der Mord mit auf die Rechnung patriarchalischer Familientraditionen ging. Aber auch das wissen wir nicht – denn abgeschlossen sind die Ermittlungen lediglich im Kopf eines Christenmenschen namens Matthias Matussek. CLAUDIUS PRÖSSER

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen