Mit dem Grundbuch per Du

Justus Wohltmann entwickelt im Auftrag einer Erbengemeinschaft die Ecke gegenüber der Stadtbibliothek – „es ist das komplizierteste Grundstück, das ich kenne“

JUSTUS WOHLTMANN ist Geschäftsführer der gleichnamigen GmbH, die zahlreiche Gebäude der Innenstadt entwickelt

Herr Wohltmann, Sie sind Projektentwickler für das Eckgrundstück am Altenwall. Warum langt es nicht, wenn man gegenüber der Stadtbibliothek schön chinesisch essen kann?

Justus Wohltmann: Die Kleinstbebauung in einer so außergewöhnlichen Lage ist ein unhaltbarer Zustand. Bis zum Zweiten Weltkrieg standen hier stattliche Kontorhäuser.

Also andersrum gefragt: Warum hat es 60 Jahre gedauert, bis eine Neu-Bebauung in Angriff genommen wurde?

Es handelt sich um das komplizierteste Grundstück, das mir in meinem Berufsleben bisher untergekommen ist. Es steckt voller Unterbau- und Übertragungsrechte, es ist ein Intensivst-Geschäft, das alles zu klären. Sie wissen ja: Die Wahrheit steht meist im Grundbuch.

In diesem Fall verweist es auf eine Erbengemeinschaft als Grundstücksinhaber. Erbengemeinschaften sind vermutlich nicht die schnellsten Entscheidungsträger.

Das liegt in der Natur der Sache. Umso verdienstvoller ist, dass sich die Liening-Nachkommen entschlossen haben, das Projekt jetzt anzugehen. Da ihr Familienstatut verbietet, das Gelände zu verkaufen, haben sie es erbbaurechtlich der „Schwachhauser Grundstückverwaltungsgesellschaft“ überlassen.

Wie viel möchte die investieren?

Das kann ich Ihnen nicht verraten, da wir uns derzeit in der Ausschreibung befinden.

In Bezug auf die Architektenauswahl haben Sie auf eine Ausschreibung verzichtet und sich für das Hamburger Büro von Richter & Teherani entschieden.

Das war ein qualitätsvolles Ringen innerhalb der Bauherrenschaft, die, wie gesagt, zahlreich ist. Teherani hat eine exzeptionelle Handschrift, die gerade vis à vis der Kunsthalle auf Interesse stoßen wird. Deswegen ist mir auch nicht verständlich, warum sich jetzt die Damen und Herren Leserbriefschreiber so negativ über die Pläne äußern.

Herr Schulenberg hat auf seinen – bereits der Öffentlichkeit im Modell präsentierten – Teherani-Bau zwischen Herdentorsteinweg und Contrescarpe verzichtet und dafür auf Oswald Mathias Ungers gesetzt. Angeblich, nachdem er bei einem Besuch in Hamburg das Fenster öffnete und daraufhin die Papiere vom Tisch wehten. Anders gesagt: Teherani-Gebäuden werden gelegentlich wegen raumklimatischer Mängel kritisiert.

Herr Teherani hat in dem vom ihm gebauten Haus neben den Deichtorhallen, in dem sich ja auch sein Büro befindet, eben eine bestimmte Thermik installiert, die mit der doppelwandigen Glasfassade zusammenhängt. Letztlich ist Gebäudeökonomie aber auch eine Frage der Fronten: Herr Schulenberg hat sich gegen den Teherani-Entwurf für die Contrescarpe entschieden, weil es dort eine sehr lange Südseite gibt, die sich entsprechend aufheizt. Am Altenwall hingegen haben wir es mit einer Nordseite zu tun.

Der scheidende Senatsbaudirektor freut sich, das durch den Neubau ein „Tor zur Innenstadt“ entsteht. Aber ist das nicht ein etwas schiefer Eingang, wenn die Pfosten so ungleich hoch sind?

Genauso hoch wie das Polizeihaus bauen zu wollen, wäre ein hohes Maß an Vermessenheit. Wir bauen immerhin acht Ebenen, die sich ab der fünften verjüngen – so wollen wir der Anmutung des Seitengiebels des früheren Polizeihauses entgegenkommen. Das ist ja eine unglaublich wuchtige wilhelminische Trutzburg – schon als Lehrling hat es mich geschauert, wenn ich dorthin Botengänge zu erledigen hatte.

Sie wollen das Haus an Dienstleister vermieten. Wann können die einziehen?

Bisher ist uns die Bauverwaltung außerordentlich entgegengekommen. Ich denke, dass wir Ende 2008 fertig sind – wenn wir dies Jahr noch beginnen können.

Und wenn Sie keine Kogge finden.

Es ist ist in der Tat historischer Grund, auf dem wir bauen. Das weiß man nie, was im Boden ist.

Interview: Henning Bleyl