: Diktator als Friedensengel
Ich sage mir, besser Diktator sein als schwul“, ließ Weißrusslands Präsident Alexander Lukaschenko im März 2012 den damaligen deutschen Außenminister Guido Westerwelle wissen. Dieser hatte den ehemaligen Direktor einer Kolchose als „letzten Diktator Europas“ bezeichnet. Mit dem hochrangig besetzten Gipfel zu einer friedlichen Lösung der Ukrainekrise am Mittwoch in der weißrussischen Hauptstadt Minsk bot sich dem 60-Jährigen jetzt eine willkommene Möglichkeit, sein Image aufzupolieren. Ja mehr noch: Sollte das Treffen ein Erfolg werden, könnte sich „Batka“ (Väterchen), wie die Weißrussen Lukaschenko nennen, auch noch als Friedensstifter gerieren.
Weitaus weniger friedlich geht der Eishockeyfan, der bisweilen ein kaum verständliches Gemisch aus Russisch und Weißrussisch spricht, mit seinen politischen Gegnern um: Demonstranten werden zusammengeknüppelt, kritische Journalisten unter Druck gesetzt. Menschenrechtler und oppositionelle Politiker wandern auf Jahre ins Gefängnis oder verschwinden gleich ganz auf Nimmerwiedersehen. Weißrussland ist das einzige Land in Europa, in dem noch die Todesstrafe vollstreckt wird.
Die desolate Menschenrechtslage veranlasste die EU 2011, Sanktionen über Weißrussland in Form von Einreiseverboten und Kontosperrungen zu verhängen. Auf der Liste ganz oben steht Alexander Lukaschenko.
Der regiert sein Land seit 1994 und macht keine Anstalten, abzutreten. Auch bei den sogenannten Präsidentenwahlen im Herbst will er wieder antreten. Er habe „nicht das Recht“, zu gehen, da er sonst, „wenn das Land zusammenbricht“, zu Recht dafür verantwortlich gemacht würde, sagte Lukaschenko vor knapp zwei Wochen auf einer Pressekonferenz in Minsk. Und schob nach: „Man kann mich hängen, man kann mich töten, aber es ist unmöglich, meinen politischen Kurs zu ändern.“
Sollte Lukaschenko wiedergewählt werden, was sicher ist, bleibt noch etwas Zeit, um seinen jüngsten Sohn Nikolai als Nachfolger aufzubauen. Der Zehnjährige begleitet seinen Vater seit Längerem auf allen Staatsbesuchen. Auch nach einem Bombenanschlag in der Minsker U-Bahn 2011 nahm Lukaschenko ihn an den Tatort zum Besichtigen verkohlter Leichenteile mit. Nikolai hat am 31. August Geburtstag. Lukaschenko senior verlegte sein eigenes Wiegenfest offiziell auf diesen Tag – um „zusammen feiern zu können“. BARBARA OERTEL
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen