piwik no script img

Ehrenmord: Die Ehre der Mörder

GEWALT Studie prognostiziert weiter steigende Zahl an Ehrenmorden unter Muslimen in Deutschland. Psychologe: Ehrenmörder töten, um ihre eigene Ehre in ihrer patriarchalischen Gesellschaft wiederherzustellen

BERLIN taz | Eine Studie warnt vor zunehmenden „Ehrenmorden“ unter Muslimen. Ihr Verfasser, der Psychologe Jan Ilhan Kizilhan von der Universität Freiburg, sagte im taz-Interview, dass in Deutschland die Zahl der Ehrenmorde in den nächsten Jahren steigen werde. „Es wird ein Machtwechsel zwischen den Migrantengenerationen stattfinden, die Probleme werden sich zuspitzen“, warnte er. „Überholte Werte und Verhaltensweisen werden von Generation zu Generation weitergereicht.“

„Die meisten ‚Ehrenmorde‘ werden von Muslimen an Muslimen begangen“, sagte Jan Kizilhan. Er hat für seine Studie über die „Sozialisation und Überzeugungen bei sogenannten Ehrenmördern“ mit 21 türkischstämmigen „Ehrenmördern“ gesprochen und deren Lebensläufe mit denen von 44 anderen türkischstämmigen Gewalttätern verglichen. Es ist die erste Studie, für die mit den Tätern persönlich gesprochen wurde. Kizilhans Schlussfolgerung: Vor allem Männer mit geringer Schulbildung und Gewalterfahrung seien gefährdet, zum Täter zu werden. „Wenn das soziale Umfeld dann auch noch fanatisch ist, ist die Gefahr groß, eine solche Tat zu begehen.“ Auch würden Frauen Druck auf die Männer ausüben, weil sie die „patriarchalischen Denkstrukturen von Männern übernommen haben“.

Die Entscheidung zum „Ehrenmord“ erklärt Kizilhan mit dem Druck traditioneller und überholter Kollektive auf die größtenteils männlichen Täter: „Wenn die eigene Community sich von dem Mann entfernt, der diese angebliche Ehrverletzung erleidet, ihn meidet oder gar ausschließt, dann kann er dem Druck nicht mehr standhalten.“ „Ehrenmörder“, so Kizilhan, seien wesentlich religiöser und patriarchalischer geprägt als andere Gewalttäter. Dabei handelten sie planvoll und nähmen auch ihre Inhaftierung in Kauf. CAK

Gesellschaft + Kultur SEITE 13

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen