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Gescheiterter Modernisierer

Nun ist es vorbei. Nach knapp vier Jahren tritt Marcus Weinberg als Landesvorsitzender der Hamburger CDU zurück, um die Verantwortung zu übernehmen für das Wahldebakel, das die Union bei der Bürgerschaftswahl am Sonntag erlitt: Mit nur noch 15,9 Prozent ist sie auf dem Weg zur Splitterpartei, und dass da der Parteichef zur Rechenschaft gezogen wird, ist unvermeidlich. Spitzenkandidat Dietrich Wersich, 50, ziert sich noch, doch spätestens auf der ersten Sitzung der neuen Fraktion am nächsten Mittwoch wird er deren Vorsitz verlieren und auf den Posten des Vizepräsidenten der Bürgerschaft fortgelobt werden.

Gescheitert ist damit der Kurs der liberalen Großstadt-CDU, den die beiden Modernisierer 2011 nach dem Rechtsschwenk des Kurzzeit-Bürgermeisters Christoph Ahlhaus eingeschlagen hatten. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf „für Frauen und Männer“, die Anerkennung der Zuwanderungsgesellschaft, das Ja zur direkten Demokratie sind politische Elemente, die der Hamburger CDU zuvor nicht selbstverständlich waren.

Denn beide verkörpern den Typus des modernen, metropolitanen Christdemokraten, der mit Hacken-knallendem Rechtskonservatismus so rein gar nichts anfangen kann. Weinberg lebt ohne Trauring mit Freundin und Sohn zusammen und steht bei Heimspielen des FC St. Pauli im Stadion am Millerntor, Wersich lebt mit seinem Freund zusammen. So lange ist das noch nicht her, dass für solche Lebensformen in der Union kein Platz war.

Ist jetzt auch nicht mehr. Zerrieben zwischen Olaf Scholz und Katja Suding einerseits und der AfD andererseits wird Hamburgs CDU ihren Kurs neu bestimmen müssen. Das Motto wird lauten, dass es rechts von der CDU keinen Platz für eine andere Partei geben darf. Und dafür muss dann eine neue Führung her, die das verkörpert. Weinberg darf vorerst Bundestagsabgeordneter bleiben, die nächste Wahl ist erst 2017. Dann ist er 50 – und wenn er Pech hat, muss der Lehrer dann doch wieder zurück an die Schule.  SVEN-MICHAEL VEIT

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