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Scheiß drauf, wenn’s nur abgeht und Spaß macht

DVD Ein Konzert von Bonaparte ist vieles: rüder Electro-Punk, Mummenschanz und Stripshow. Und das gibt’s jetzt auch auf DVD

Die Kamera fährt hinter dem Schlagzeug entlang und enthüllt, wie dem Drummer der halbe Arsch aus dem Kostüm hängt

Sicher, man sollte das Spektakel, das Bonaparte auf einer Bühne veranstalten, mal in natura gesehen haben. Man muss aber nicht. Denn erstens kann man nicht alles haben. Und zweitens gibt es jetzt „0110111 – Quantum Physics & A Horseshoe“.

Diese Live-DVD ist nicht nur die erste Veröffentlichung der Berliner Partytruppe um den Schweizer Tobias Jundt, die in Zusammenarbeit mit einem großen Major-Label erscheint und damit den Versuch markiert, die Band im Mainstream zu platzieren. Es ist vor allem die einzige wirklich angemessene Methode, Bonaparte in eine Konserve zu verbannen. Denn schließlich ist das stets im Fluss befindliche, bisweilen bis zu 20 Personen starke Kollektiv weniger für seinen rüden Electro-Punk bekannt geworden als für seine energetischen, mit viel Mummenschanz und im Laufe des Abends immer mehr nackter Haut verzierten Auftritte. Die erinnern ja eher an Volksbühnen-Inszenierungen als an ein gewöhnliches Rockkonzert.

Das Schauspiel beginnt natürlich mit der programmatischen Hymne „Do you wanna party with the Bonaparte?“ Dann kommt zu „My Horse Likes You“ das berühmte Pferd im weißen Smoking auf die Bühne und lässt sich feiern, und bei „Computer in Love“ stecken die Köpfe der Tänzerinnen in altmodischen Röhrenbildschirmen. Der Zirkus hat eingeladen und verspricht eine Show, die „staggering, spectacular & supreme“ ist und „wild, weird & wonderful“. Das Versprechen wird vom Konzertfilm eingehalten, der nicht nur höchst professionell fotografiert ist, sondern auch noch kleine nette Details enthüllt: Schon nach wenigen Minuten fährt die Kamera hinter dem Schlagzeug entlang und enthüllt, wie dem Drummer der halbe Arsch aus dem Kostüm hängt.

Das ist wohl das Geheimnis der Band, das dieser Film, der aus den Aufnahmen vieler verschiedener Konzerte zwischen Moskau und Kreuzberg von Banddiktator Jundt höchstselbst kompiliert wurde, so sehr dokumentiert wie demaskiert: dass Bonaparte einen artifiziellen Hedonismus scheinbar mühelos mit einer vor Schweiß klebrigem Authentizität verschränken können. Oder anders gesagt: Scheiß drauf, wenn’s nur abgeht und Spaß macht.

Wie um das zu beweisen, gehört zu den DVD-Extras – neben ein paar Outtakes und einem Download-Code für den Soundtrack – auch ein sogenanntes „Behind the Scenes“. Hier sieht man erwartungsgemäß den Blick aus dem Bandbus in eine frustrierend graue Winternacht, und man sieht die endlosen Gänge, durch die die Musiker dann zum Auftritt wandern müssen. Man sieht die Band beim abendlichen Straßenfußball, und man sieht, wie die Musiker in ihre Verkleidungen schlüpfen. Man sieht Mad Kate, wie sie geduldig ihr Kostüm flickt, dessen sie sich später auf der Bühne weniger liebevoll entledigen wird. Im Gegensatz dazu sieht man aber auch das sonst die Bühne bevölkernde Personal in traumähnlichen Sequenzen: den König im falschen Hermelin, der Croissants pflückt im Wald; das Zimmermädchen, das ein einsames Treppenhaus saugt; das Pferd im Smoking, das auf einem Jahrmarkt Frauen zum Kreischen bringt; den Hasen, der ein Lebkuchenherz mit der Aufschrift „Für mein kleines süßes Häschen“ geschenkt bekommt; oder den sonst Bass spielenden Lampenschirm, der durch einen Gartenteich stakst und Plastikenten küsst. Zwischen die sich widersprechenden, eher konzeptlos aneinandergereihten Szenen sind immer wieder vom Fernsehschirm abgefilmte, grobkörnige Aufnahmen aus einer Eiskunstlauf-Show geschnitten.

Es ist dieselbe Bedeutungshuberei, die man schon von der Bühne kennt. Aber auch der Film lässt, und damit folgt er der Live-Performance, keine schlüssigen Interpretationen zu. Was soll es schon bedeuten, dass der König mit Champagner herumspritzt, während das Zimmermädchen mit dem Staubwedel das Publikum segnet? Dass sich ein Mischwesen aus Clown und Gevatter Tod in einer Badewanne auf der Bühne räkelt? Die Assoziationsmaschine rattert zwar fleißig, aber was sie ausspuckt, ist egal: Hauptsache, es ist schön bunt und ekstatisch. Das ist das Grundprinzip von Bonaparte. Also vor allem: sehr unterhaltsam. THOMAS WINKLER

■ Bonaparte: „0110111 – Quantum Physics & A Horseshoe“ (Staatsakt/Warner)

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