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„Gewalttat ist erwartet worden“

Weil ein 15-Jähriger mit einem Messer auf einen Mitschüler einstach, erhebt die GEW Vorwürfe gegen die Schulaufsicht. Das Kollegium wollte den Jungen von der Schule verweisen, doch die Behörde habe dies abgelehnt

Schwere Vorwürfe erhebt die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) gegen die Bildungsbehörde. Es geht dabei um einen Streit zwischen zwei Schülern des Wilhelm-Kaisen-Schulzentrums in Huckelriede, der am Dienstag zu einer Messerstecherei eskalierte.

„Der Täter war dem Kollegium schon lange als gewaltbereit bekannt“, heißt es in einer Erklärung der GEW-Betriebsgruppe der Schule. „Ein solcher Vorfall ist erwartet worden. Selbstverständlich sind von der Schule verschiedenste Versuche unternommen worden, um diesem Schüler zu helfen. Alle bisherigen Bemühungen sind allerdings von der vorgesetzten Behörde zurückgewiesen worden.“

Die Gewerkschaft moniert, dass es in der bremischen Schulstruktur keine Einrichtung für SchülerInnen gebe, die „pädagogisch nicht mehr ansprechbar sind und für ihre Umgebung eine Gefahr darstellen“.

Ein 15-jähriger Schüler der Wilhelm-Kaisen Schule hatte am Dienstagmittag vor dem Schultor mit einem langen Messer auf einen 16-jährigen Mitschüler eingestochen. Das Opfer wurde in ein Krankenhaus eingeliefert. Die erlittenen Verletzungen stellten sich als nicht so bedrohlich heraus wie zunächst befürchtet.

Der Täter wurde unmittelbar nach der Messerstecherei von einem in der Schule anwesenden Kontaktpolizisten festgenommen. Nach Angaben der Polizei haben Mitschüler in die Auseinandersetzung eingegriffen und dem Täter das Messer entwunden.

Eine Lehrerin der Wilhelm-Kaisen-Schule bestätigt die Kritik der Gewerkschaft: „Wir haben der Schulbehörde immer wieder deutlich gemacht, dass von dem Jungen eine große Gefahr ausgeht. Diese hat uns jedoch nur pädagogische und sozialpädagogische Maßnahmen empfohlen.“ Das Kollegium hatte darauf gedrängt, dass der Schüler von der Schule verwiesen werde. „Natürlich wollten wir auch, dass flankierende Hilfsangebote gemacht werden. Aber unserer Schule war er nicht mehr zumutbar. Er hatte einfach schon zu viel angestellt.“ Ein Schulverweis sei rechtlich möglich gewesen, so die Lehrerin. Die Sprecherin der Bildungsbehörde, Karla Götz, sagte, zwischen der Schulaufsicht und der Wilhelm-Kaisen-Schule habe es „stets eine gute Zusammenarbeit gegeben“. Dem Vorwurf des Kollegiums werde aber „selbstverständlich nachgegangen“.

Nachdem zunächst die Mordkommission in dem Fall ermittelt hatte, teilte die Polizei am Mittwoch mit, der Verdacht, der Junge habe seinen Mitschüler töten wollen, habe sich nicht erhärtet. Dem Täter drohe eine Anklage wegen schwerer Körperverletzung. Am Mittwoch hob ein Untersuchungsrichter den Haftbefehl auf, der Junge wurde wieder auf freien Fuß gesetzt. Die Schulaufsicht sprach ihm ein Hausverbot für die Wilhelm-Kaisen-Schule aus. Weil er sich am Donnerstagvormittag trotzdem wieder auf dem Schulgelände aufhielt, kritisierte die GEW die Freilassung des Schülers.

Christian Jakob

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