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Herdentrieb auf dem Börsenparkett

AKTIEN Der DAX ist auf einem Höhenflug und erreicht am Montag mit 12.000 Punkten ein historisches Allzeithoch. Doch mit der tatsächlichen wirtschaftlichen Entwicklung hat das nichts mehr zu tun

„Ich halte den DAX-Rekord für keine triumphale Botschaft“

RUDOLF HICKEL

VON ANJA KRÜGER

BERLIN taz | Der deutsche Börsenleitindex DAX jagt von Rekord zu Rekord. Am Montag hat er die magische Marke von 12.000 Punkten überschritten. Erst vor vier Wochen hatte er die 11.000-Punkte-Marke geknackt, nachdem er zu Jahresbeginn noch bei 9.800 Punkten lag. Ein so rasanter Anstieg in so kurzer Zeit ist ungewöhnlich.

Der DAX spiegelt die Börsenentwicklung der 30 größten und umsatzstärksten deutschen Unternehmen wider. Er wurde 1988 auf der Grundlage von 1.000 Punkten eingeführt. Am Montagnachmittag eine gute Stunde vor Börsenschluss notierte er bei 12.132 Punkten, am Ende erreichte er 12.167 Punkte. Während die Deutsche Börse und einige Banken den sich anbahnenden neuen Höchststand zum Anlass nahmen, schon im Vorfeld den Montag zum „Tag der Aktie“ auszurufen, warnte der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel vor einer übertriebenen Entwicklung. „Ich halte den neuen DAX-Rekord für keine triumphale Botschaft“, sagte er.

Die Börsenkurse drohten sich von der realen Wirtschaftsentwicklung zu entfernen, mahnte Hickel. Denn hinter der Kursexplosion stecke kein entsprechendes Wachstum. „Hier wird ein finanzmarktgetriebener Herdentrieb sichtbar“, sagte der Wirtschaftswissenschaftler. Der DAX sei stark spekulativ aufgebläht. Es brauche nur eine schlechte Nachricht zu kommen, und der Höhenflug breche wie ein Kartenhaus zusammen.

Verantwortlich für die rasante Kursentwicklung ist die Geldschwemme der Notenbanken. Die Europäische Zentralbank (EZB) in Frankfurt am Main pumpt seit einer Woche Geld in die Märkte, indem sie Staatsanleihen aufkauft. EZB und Notenbanken von EU-Ländern wollen so bis September 2016 monatlich für 60 Milliarden Euro Staatsanleihen und andere Wertpapiere kaufen. Damit soll die lahmende Wirtschaft in der Eurozone angekurbelt werden.

Hickel hält die Geldpolitik von EZB-Präsident Mario Draghi zwar für richtig, aber für nicht ausreichend. Nach Hickels Auffassung ist die Auflage eines begleitenden Investitionsprogramms etwa zum Ausbau der Infrastruktur erforderlich, um tatsächlich Effekte in der Realwirtschaft zu erreichen. Draghi wolle mit der expansiven Geldpolitik die Inflation bei Waren und Dienstleistungen erreichen, sagte Hickel. Denn die Preissteigerung bleibt deutlich unter den politisch gewünschten 2 Prozent zurück. „Aber Draghi schafft nur eine Inflation bei Vermögensanlagen“, erklärte Hickel.

Gleichzeitig bleiben die Zinsen niedrig. Mangelnde Alternativen für professionelle Investoren sind ein Grund für den rasanten Anstieg des DAX. Angesichts der niedrigen Zinsen an den Kapitalmärkten stecken sie ihr Geld bevorzugt in Aktien. Weil dort die Gewinnerwartungen höher sind, fließt das Geld nicht in Unternehmen.

Nach schlechten Erfahrungen mit der Telekom-„Volksaktie“ und der Finanzmarktkrise schrecken private Verbraucher dagegen vor der Börse zurück. 2001 gab es in der Bundesrepublik nach Angaben des Deutschen Aktieninstituts noch 13 Millionen Aktienbesitzer, 2014 waren es nur noch 8,4 Millionen. Gleichzeitig bringen Verbrauchern sichere Kapitalanlagen wegen der niedrigen Zinsen immer weniger, denn es gibt kaum noch Geld für Guthaben auf Sparbüchern, Tagesgeldkonten oder in privaten Rentenversicherungen.

Eine weitere Folge der Geldpolitik von EZB und Notenbanken ist die Abwertung des Euro, der am Montag bei 1,05 Dollar fast auf einer Höhe mit der US-Währung steht. Für die Exportwirtschaft ist die Abwertung zwar gut, weil ihre Erlöse steigen. „Aber diese Entwicklung ist gefährlich, weil daraus eine Abwertungskonkurrenz der Währungen entstehen kann“, sagte Hickel. Sie werde von den Verantwortlichen „bewusst in Kauf genommen“.

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