KLAUS-HELGE DONATH ÜBER DAS WAHLERGEBNIS IN RUSSLAND: Putin dürfte sich ärgern
Seine Leute haben getan, was sie konnten, aber noch mehr falsche Wahlzettel, das wäre selbst in Russland nicht gut gegangen. Und so zeigt selbst das geschönte Wahlergebnis, wie sehr die Wähler der selbstherrlichen und inkompetenten Selbstdarsteller und Staatsrentiers überdrüssig sind. Sie haben Putin wie der Regierungspartei Einiges Russland eine schallende Ohrfeige verpasst.
Zehn Jahre lang hat der Kreml die russische Bevölkerung sediert, entmündigt und ihr systematisch das Selbstwertgefühl ausgetrieben. Doch offenkundig ist der Plan der völligen Atomisierung und Entsolidarisierung der Gesellschaft nicht ganz aufgegangen. Aber ein demokratischer Aufbruch ist trotzdem noch lange nicht in Sicht. Die Parteien, die anstelle der Staatspartei den Zuschlag erhielten, repräsentieren entweder das braun-rote oder das linkspopulistische Spektrum. Mit ihnen lassen sich Modernisierung und Umbau von Staat und Gesellschaft nicht bewerkstelligen. Weder haben sie das auf ihrer Agenda, noch bringen sie die Kompetenz für eine Demokratisierung mit. Die einzige demokratische Partei, Jabloko, erreichte landesweit nicht einmal 4 Prozent. Das zeigt: Auch die Masse der Unzufriedenen ist nationalistisch, traditionalistisch oder gar klerikal eingestellt. Ihr Protest drückt eher eine negative Solidarität denn eine demokratische Zukunftsvision aus.
Trotz alledem: Ein bisschen Leben kehrt in die Politik zurück. Das Regime steckt in einer tiefen Krise, und auch der nationale Líder Putin ist angeschlagen. Offen bleibt, ob er wegen der Schlappe nun punktuell Liberalisierungen zulassen wird oder ob er auf Rache sinnt, sprich: die Daumenschrauben weiter anzieht. Über andere politischen Konzepte verfügt Putin nicht.
Der Tag SEITE 2
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen