: Hansekönigin als Schnäppchen
Ein Viertel des Lübecker Hafens soll verkauft werden. Aussichtsreichster Bieter ist das Hamburger Hafenunternehmen HHLA. Die Käufer stehen nicht Schlange, und der Preis dürfte deutlich sinken
Die HHLA hat in den ersten neun Monaten 2007 ihren Umsatz gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres um 17,5 Prozent auf 871 Millionen Euro erhöht. Das teilte das Unternehmen gestern mit. Der Gewinn kletterte um 45 Prozent auf 110 Millionen Euro. Mit 5,4 Millionen Containern bewältigte die HHLA etwa zwei Drittel des Gesamtumschlags im Hamburger Hafen. Gegenüber den ersten drei Quartalen 2006 ist das ein Zuwachs um 14,7 Prozent. TAZ
VON SVEN-MICHAEL VEIT
Der Teilverkauf des größten deutschen Ostseehafens in Lübeck nähert sich der Entscheidung. Fünf von einst elf Interessenten haben nach taz-Informationen die erste Auswahlrunde überstanden, darunter das größte deutsche Hafenumschlagsunternehmen (siehe Kasten), die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA). „Wir sind dabei“, bestätigte deren Sprecher Florian Marten gestern auf Anfrage. Über Details wollte er sich wegen des laufenden Verfahrens und der Konkurrenz nicht äußern.
Die HHLA gehört mehrheitlich noch immer der Stadt Hamburg. 30 Prozent ihres Grundkapitals jedoch hat der CDU-Senat gegen erheblichen Widerstand der Gewerkschaften und der politischen Opposition vor einem Monat an der Börse platziert. Stadt und Unternehmen hoffen auf einen Erlös von gut einer Milliarde Euro – mehr als genug, um für ein Viertel des Lübecker Hafens, der zu Hamburgs Filiale an der Ostsee ausgebaut werden soll, einen niedrigen zweistelligen Millionenbetrag abzuzweigen.
Denn viel mehr dürfte die einstige Königin der Hanse an der Trave für die erste Tranche von 25,1 Prozent nicht einnehmen. Darauf deutet auch schon der Umstand hin, dass Kaufwillige nicht gerade Schlange stehen. Die Deutsche Bahn ist nicht mehr interessiert, auch die australischen Investoren Babcock & Brown haben nach einer ersten Anfrage nichts mehr von sich hören lassen. Sie sind im August lieber mit gut 100 Millionen Euro bei der Hamburger Hochbahn eingestiegen.
Außer der HHLA sind jetzt nur noch vier Bewerber im Rennen. Die härtesten Konkurrenten der Hamburger dürften die Rhenus-Gruppe aus Nordrhein-Westfalen, einer der größten Logistikkonzerne Europas, und die finnische Reederei Finnlines sein, die vom Lübecker Fährhafen Travemünde aus mehrere Linien auf der Ostsee unterhält. Mit dabei sind noch zwei Finanzinvestoren: die US-Immobilienfirma Rreef, eine Tochter der Deutschen Bank, und die australische Investmentfirma Macquarie.
Dieses Quintett erhält nun Einsicht in die vertraulichen wirtschaftlichen Daten der Lübecker Hafen-Gesellschaft (LHG), um dann bis Anfang Januar konkrete Angebote abzugeben. Die letzte Entscheidung über den Verkauf fällt im Februar die Lübecker Bürgerschaft.
Das gesunkene Interesse und der sehr wahrscheinlich ebenfalls sinkende Erlös haben Gründe. Ende Juni schlossen die Stadt Lübeck und der LHG-Aufsichtsrat einen Vertrag mit der Gewerkschaft Ver.di und dem LHG-Betriebsrat. Vorausgegangen waren wochenlange Proteste und Streiks gegen die zunächst beabsichtigte vollständige Privatisierung des Unternehmens. 90 Prozent des Hafens sollten ursprünglich verkauft werden, die hochverschuldete Stadt liebäugelte mit einem Geldregen von mehr als 100 Millionen Euro.
Daraus wurde nichts, weil auch die EU Druck machte. Die hatte in den Jahren zuvor die Modernisierung des Lübecker Hafens mit 60 Millionen Euro gefördert – aber nicht, damit die Stadt anschließend die Geschenke weiter verscherbelt. Für diesen Fall, hatte Brüssel gedroht, würden die Zuschüsse zurückgefordert. „Das können wir nicht zahlen“, sah Bürgermeister Bernd Saxe (SPD) ein.
Deshalb kann Lübeck nun nur noch 25,1 Prozent der Betriebsgesellschaft LHG feilbieten, die von der EU subventionierte Infrastruktur wie Hallen, Kräne und Kaianlagen muss in öffentlichem Besitz bleiben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen