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Da wäre mehr gegangen

OLYMPIA Ist es die Schuld oder das Verdienst der NOlympia-AktivistInnen, dass Berlin aus dem Rennen ist? Eine echte Bewegungsdynamik hat die Kampagne nicht entfacht

VON MARTIN HÖFIG UND MALENE GÜRGEN

Gerade mal 55 Prozent der befragten BerlinerInnen hatten sich in der entscheidenden Forsa-Umfrage für die Olympischen Spiele in Berlin ausgesprochen – „Feuer und Flamme für Olympia“, das Motto der Hamburger Bewerbung, waren die Menschen in der Hauptstadt ganz offensichtlich nicht. Das mag die Entscheidung des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB) entscheidend beeinflusst haben – schließlich hätte Berlin für eine Bewerbung auch noch eine Bürgerbefragung durchstehen müssen. Ist es also die Schuld oder das Verdienst der NOlympia-AktivistInnen, dass Berlin aus dem Rennen ist?

Das NOlympia-Bündnis selbst hat dazu eine klare Meinung: „Wir haben die Drohkulisse des Protestes in Berlin aufgebaut, vor der die Olympia-Funktionäre Angst haben“, sagt ein Aktivist am Montagabend. Mit etwa 20 MitstreiterInnen feiert er vor dem Kreuzberger Club L.U.X die Niederlage Berlins. Als gegen 18.15 Uhr die Entscheidung des DOSB gegen Berlin als deutsche Bewerberstadt durchsickert, wird auf dem Bürgersteig laut gejubelt. „Hamburg ist schöner als Berlin“, kommentiert Gabi Hiller, die sportpolitische Sprecherin der Hauptstadt-Linken, mit einem Glas Sekt in der Hand.

Allerdings: Eine echte Bewegungsdynamik hatten die AktivistInnen, anders als 1993, bisher nicht entfacht. Zu ihren Kundgebungen, ob vor dem Rathaus oder bei der Verteilung von Olympia-Pfannkuchen in Kreuzberg, kamen selten mehr als eine Handvoll Menschen. Auch das Bündnis selbst war nicht gerade breit aufgestellt: Die Naturfreunde, die Grüne Liga, der Naturschutzbund Deutschland und PolitikerInnen aus der Linken hatten sich hier zusammengetan, einige von ihnen bereits mit Erfahrung aus der letzten Berliner NOlympia-Kampagne. Stadtpolitische Bündnisse, Gewerkschaften oder auch linke Gruppen schienen das Thema bisher höchstens peripher auf der Agenda zu haben. Zwar wurde im Dezember mit der Initiative „Olympia verhindern – überall“ eine zusätzliche Kampagne aus dem linksradikalen Spektrum gegründet, doch diese trat bisher kaum in Erscheinung.

Den Protest gegen Olympia sichtbarer und anschlussfähiger zu organisieren war allerdings offenbar auch gar nicht nötig: Zwischen BER-Debakel und der damit verbundenen Skepsis gegenüber Großprojekten auf der einen Seite und einer breit geführten Debatte über steigende Mieten und Gentrifizierung auf der anderen war mit einem stadtentwicklungspolitischen Megaprojekt offenbar wenig zu gewinnen.

„Berlin braucht jetzt sozialen Wohnungsbau und kein olympisches Dorf“, schrieb NOlympia in einer Erklärung und traf damit offenbar die vorherrschende Stimmungslage vieler BerlinerInnen.

„Der Kelch ist an uns vorübergegangen“, sagt einer der NOlympisten am Montagabend. Nun wolle man die Hamburger Anti-Olympia-Initiativen unterstützen. Dort sei der Aktivistenkern noch geringer als in Berlin – „zwei bis fünf Leute“, sagt NOlympia-Aktivist Hauke Benner. Da geht noch was.

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