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Du hast die Haare schön!

Das Wella Museum in Darmstadt präsentiert mit Sammlerstücken die Geschichte der kosmetischen Verschönerung

Es hört sich schlimm an, war aber schon ein echter Fortschritt: Die Wirtschaftswunderfrauen der frühen Fünfziger Jahre des letzten Jahrhundert kannten – nach Umfragen des Allensbacher Meinungsforschungsinstituts – mehrheitlich nur eine Haarwäsche pro Monat. Aber das meistens beim Friseur. Und außerdem – das spricht für ihr Modebewusstsein – ließen sie sich beim Friseur die praktische und adrette kurze Dauerwelle legen und pflegen. Zwei Drittel jener Frauengeneration trugen diesen sogenannten Haarhelm. Er wurde zum Erkennungsmerkmal der Generation Adenauer. Er war und ist beliebt, vor allem bei rüstigen Greisinnen.

An den Techniken und dem guten Image des Stylings jener Zeit haben Unternehmen wie Wella nicht unerheblich mitgewirkt. Wella entwickelte, produzierte und lieferte in der Aufbruchsära der mageren Nachkriegsjahre das Nötigste: Haarpflege- und -färbemittel, Dauerwellenchemie, Formcremes, Festiger und Trockenhauben, alles wichtiges Handwerkszeug der Friseure. Und wichtige Mittel fürs „Body-Management“, so zumindest versteht der Kunsthistoriker und frühere Wella-Stiftungsdozent an der TU Darmstadt, Christian Janecke, das Haaretragen. Was man mit seinen Haaren alles so anstellt, gilt unter Wissenschaftlern als ein Statement zur Welt.

Eigentlich gibt es Wella heute nicht mehr beziehungsweise nur noch als eine Produktlinie. In 2003 erwarb der US-amerikanische Waschmittel- und Kosmetikriese Procter & Gamble die Aktienmehrheit der Wella-Erben. Seit der Firmengründung 1880 im sächsischen Rothenkirchen hatte es steile Aufs und Abs gegeben, sowohl der Erste als auch der Zweite Weltkrieg hatten praktisch zum Ruin der Firma geführt. Wellas Aufstieg zur Weltfirma mit Sitz in Darmstadt entwickelte sich aus der Neugründung im hessischen Hünfeld (1945). Bis in die 60er-Jahre wurde ausschließlich für das Friseurhandwerk produziert, dann kamen immer neue Produktserien für den Hausgebrauch auf den Markt und den Frisiertisch. Eine Erfolgsgeschichte.

Neben der Stiftungsprofessur für Mode und Ästhetik an der TU Darmstadt hat Wella außerdem ein ansprechendes, sehr modernes Firmenmuseum im Darmstädter Verwaltungssitz eingerichtet. Nur ein Teil der Ausstellung befasst sich mit der Firmengeschichte selbst. Im Zentrum des großzügigen Museums steht vielmehr die Geschichte der kosmetischen Verschönerung. Gezeigt werden rund 300 ausgewählte Sammlerstücke der Schönheitspflege aus dem großen Bestand der Wella-Gründerfamilie. Darunter historische Geräte für Maniküre und Pediküre, Instrumente mittelalterlicher Bäder und Schmink-Utensilien aus dem altägyptischen und altchinesischen Kulturkreis. Alles, was mit Haaren tun hat, etwa Barttrassen, Haarblumen, Dauerwellen-Apparate und allerlei Kuriositäten der Friseurkunst, ist in einem besonderen Raum.

Und noch jedes Kleinod demonstriert in seiner museumspädagogisch ausgeklügelten Anordnung, dass eine Frisur mehr ist als einmal bitte „Waschen/Schneiden/Fönen“, das es heute schon im schnellen Angebot gibt. Zumindest ein Schmuck sollen die Haare sein und der schöne Rahmen des Gesichts.

CHRISTEL BURGHOFF

Wella Museum, Berliner Allee 65, 64274 Darmstadt, Tel. (0 61 51) 34 21 90, Mo–Fr 10 bis 17 Uhr, kostenloser Eintritt, www.wellamuseum.de Literatur: Christian Janecke (Hg.): „Haar tragen. Eine kulturwissenschaftliche Annäherung“. Böhlau Verlag 2004

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