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Parkplatz der Geschichte

■ Zu den Arbeiten des Münchners Rudolf Herz in der NGBK

Eine Karawane bei Nacht: Fünf Autos stehen im abgedunkelten, schlauchartigen Raum der NGBK geparkt. Der TÜV ist längst abgelaufen, ein Wartburg trägt noch das Nummernschild aus DDR- Zeiten, und über das Dach eines abgewetzten beigefarbenen VW- Käfers krabbelt eine Spinne. Der Rahmen ist ideal für die Retrospektive auf das Werk des Münchner Installationskünstlers Rudolf Herz, dessen Arbeiten vom Niedergang und Verfall politischer Symbole handeln – vorn im Elefanten-Press-Buchladen werden gerade die Regale zum Schlußverkauf geräumt.

Im Winter 1995 hatte Herz den Essener Kunstverein Ruhr mit einander abwechselnden Portraits von Marcel Duchamp und Adolf Hitler tapeziert (taz v. 9.12. 1995). Beide Fotos waren in Heinrich Hoffmanns Atelier entstanden, ihre Engführung sollte, so Herz, die provozierende These von den zwei Enden der Kunst verdeutlichen, in die sich die Moderne hineinbugsiert hatte: Nach Boris Groys besteht das Dilemma darin, das als profan Verachtete auf- und das als kulturell wertvoll Geltende abzuwerten. Hier Auflösung des Alltags im Readymade, dort Ausmerzung „entarteter Kunst“.

Für Rudolf Herz sind die Ikonen von Duchamp und Hitler Sinnbilder dieses Konflikts zwischen Ästhetik und Politik. Daß er ihre Portraits nun auf Beifahrersitz und Rückbank eines Mercedes aufbewahrt, gehört zur künstlerischen Strategie: Die Auseinandersetzung mit der Geschichte findet bei Herz vor allem im Neuarrangieren des Materials statt, darin ist seine Verfahrensweise den öffentlichen Skulpturen eines Olaf Metzel sehr ähnlich. So hat er in einem VW- Bus eine mit Arbeiterkampfszenen bedruckte Stahlplatte nebst „rotem Keil“ und „Lenins Besen“ (in Bronze) ausgebreitet, um eine bereits 1989 entstandene Arbeit zu dokumentieren, während der alte Wartburg die Neonwerbung der ehemaligen Aeroflott-Filiale an der Budapester Straße transportiert. Fast scheint der Künstler als Produzent in diesem Environment zu verschwinden – obwohl die Ausstellung sich doch als Werkschau versteht.

Dieser Rückzug hat für Herz allerdings praktische Gründe: „Die meisten Arbeiten waren monumental angelegt, aber das hätte man in diesen Räumlichkeiten gar nicht abbilden können.“ Trotzdem entsteht in der Aufreihung der Wagen ein Überblick, der die Beschäftigung mit Themen stärker gewichtet als die Begeisterung für formale Kriterien. Immerhin geht es Herz in allen fünf Fällen um das Verhältnis zwischen Bildersturz und Kunstproduktion in totalitären Systemen. Als 1991 in Dresden ein Lenin-Denkmal entsorgt werden sollte, hatte er vorgeschlagen, die demontierten Überreste als neues Mahnmal am gleichen Ort aufzubahren. Den Zuschlag erhielt am Ende ein anderer, ein Steinmetz aus Westdeutschland. Harald Fricke

„TransitI“, bis 13.4., NGBK, Oranienstraße 25. Katalog 32 DM

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