: „Mangelndes Demokratieverständnis“
■ Die Bündnisgrüne Renate Künast zum Fall Herwig Haase
taz: Herwig Haase hat gestern wiederholt, daß er nicht zurücktritt. Was passiert jetzt?
Renate Künast: Wir lassen ihm das Wochenende Zeit, um über das Ergebnis und dessen Konsequenzen nachzudenken. Herr Haase hat immer noch nicht verstanden, worum es geht. Das hat man daran gesehen, daß er bei einer politischen Aktion der CDU, als diese aus dem Saal auszog, schlicht und einfach mitgemacht hat. Seitdem kommuniziert er über die Medien mit dem Parlament und mißachtet es damit erneut.
Was bedeutet es für Ihre Fraktion, wenn er trotz des Beschlusses Präsident bleibt?
Ich kann mir nicht vorstellen, daß er das über längere Zeit durchhält. Ich habe ihn nicht so eingeschätzt, daß er sich von der CDU- Fraktion so demontieren läßt. Wir sind in einem Zwiespalt, weil wir Herwig Haase nicht mehr als Vertreter akzeptieren. Auf der anderen Seite gibt es Gremien in diesem Hause, in denen Absprachen getroffen werden. Mit einem Verhalten, wie Herr Haase es im Moment zeigt, rechnet man als verständiger Mensch nicht, wir diskutieren am Dienstag, wie es weitergeht.
Sie sagten, die CDU habe ihn demontiert...
Tatsächlich hat Eberhard Diepgen Haase auf den Präsidentenposten geschoben und gedrängt, um einen entsprechenden Senatsposten frei zu haben. Und zweitens hat Klaus Landowsky Haase fast zur Schießbudenfigur degradiert, indem er ihn als den guten Menschen von Tempelhof bezeichnet hat. Und ihn dann mit der CDU- Aktion zum Auszug zu zwingen, ermöglichte Haase nicht mal ein präsidiales Verhalten wie Zuhören und Sitzenbleiben. Eigentlich zeugt es von fehlendem Demokratieverständnis, was da passiert: Diepgen und Landowsky verhalten sich, als sei das Parlament die Dependance oder der Wurmfortsatz der Exekutive.
Ihr Vorwurf an die CDU lautet mangelndes Demokratieverständnis. Stehen sich da SPD und Bündnisgrüne grundsätzlich näher?
Ich finde es immerhin beachtlich, daß die SPD verstanden hatte, daß es sich nicht um eine Koalitionsfrage handelte. Ich glaube schon, daß es an verschiedenen Punkten mehr Gemeinsamkeiten als zwischen SPD und CDU gibt. Interview: Barbara Junge
Bericht Seite 6
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