: Mit fliegenden Dächern zum Ideal
■ Die Ausstellung „Building for Air Travel“im Terminal 2 des Hamburger Flughafens
Der Reisende, der zwischen endlosen Baustellen vor dem Flughafen Fuhlsbüttel genervt im Stau steckt, mag's kaum glauben: Architektonisch gelten Hamburgs Luftverkehrsbauten als vorbildlich. Das 1928/29 von den Architekten Dyrssen und Averhoff gestaltete Hauptgebäude mit seiner, in Anklang an Vogelformen, leicht geschwungenen Symmetrie und seinen weitläufigen Besuchereinrichtungen samt Restauration war ein international anregender Pilotbau.
Das Gebäude, dessen Abriss jetzt fest beschlossen ist, war das vermutlich am längsten genutzte seiner Art: Durch zahlreiche Anbauten erweitert und entstellt, tat es bis zur Inbetriebnahme des Terminals 4 seinen Dienst. Und dessen,von einem flügelförmigen Doppelträgerdach frei überspannte, neue Halle der Architekten v. Gerkan, Marg & Partner und Brauer errang 1993 wiederum weite Anerkennung.
All' dies ist nicht einer Selbstlobkampagne der Flughafen GmbH zu entnehmen, sondern Bestandteil der vom Art Institute of Chicago organisierten Ausstellung Building for Air Travel, die im Rahmen des Architektursommers in eben jenem Terminal 2 gezeigt wird. Neben einer Dokumentation der Architekturen von den europäischen Anfängen bis zu den Großanlagen in Asien, deren Fertigstellung erst im nächsten Jahrhundert geplant ist, wird auch die Veränderung im Flugzeugbau gezeigt. Ein dritter Teil ist der Innenraumgestaltung der Flugzeuge und dem Corporatedesign gewidmet.
In den 65 Jahren, die zwischen dem Bau beider Hamburger Terminals liegen, haben sich Flugzeugkapazität und Anzahl der Bewegungen etwa verzehnfacht. Das Passagieraufkommen eines Jahres wird heute an einem Tag abgewickelt. Gleich, ob dies für einen immensen Fortschritt oder eine bedauerliche Fehlentwicklung gehalten wird, Flughäfen sind ein hochinteressanter Spiegel von Form und Entwicklung des Verkehrs. Hatten sich frühe Flughafenbauten zuerst in Art-Deco-Formen an Bahnhofsbauten orientiert, kompensieren heute luftige Großhallen den Platzmangel an Bord. Und die geplanten neuen Bahnhöfe sehen dafür wie Flughäfen aus. Aus militärisch-kolonialistischen Interessen entstanden, ist der Luftverkehr mit seinem Design und Image zum Vorreiter kapitalistischer Ideale geworden.
Zu Beginn der Luftfahrt bis in die fünfziger Jahre bauten in den USA die Luftverkehrsgesellschaften ihre eigenen Abfertigungsanlagen. Aber längst ist der für Architekten ob seiner meist kaum beschränkten räumlichen Ausdehnung so attraktive Flughafenbau ganz selbstverständlich eine mit viel Selbstdarstellungswillen gepflegte Aufgabe der Staaten und Kommunen in aller Welt, die mit dem Argument der Arbeitsplatzbeschaffung alle Kritik leicht vom Tisch wischt. Hajo Schiff
Katalog (englisch) (Prestel, 1996) 98 Mark, Flughafen Hamburg, Terminal 2, bis 31. Oktober
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