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„Mit verbundenen Augen geplant“

■ Völlig neue Pläne für die Vegesacker Werftbrache auf dem Lürssengelände fordert Bremens renommierter Architekt Gerhard Müller-Menckens / Dort ist derzeit das Shoppingzentrum „Haven Höövt“ geplant

Zu einer maritimen-touristischen Meile soll sich die Werftbrache der Familie Lürssen in Vegesack entwickeln (siehe Kasten). Gegen dieses geplante Shopping-Zentrum „Haven Höövt“ läuft die Vegesacker Bevölkerung derzeit massiv Sturm. Jetzt hat sich der Bremer Architekt Prof. Dipl. Ing. Gerhard Müller-Menckens eingeschaltet: Der Vorsitzende der Bremer Vereinigung für Städtebau hat vor einer Woche eine komplette Neuplanung gefordert. Wir sprachen über seine Vorbehalte.

taz: In Bremen gilt die 90.000 Quadratmeter große Werftbrache als eines der reizvollsten Ufergrundstücke. Warum?

Gerhard Müller-Menckens: Der Vegesacker Hafen ist einer der ältesten Seehäfen Deutschlands. Das gesamte Hafengebiet deutet auf einen Teil bremischer Geschichte hin. Wenn wir dieses Gebiet nicht schonend pflegen, erleiden wir einen Geschichtsverlust. Die jetzige Planung setzt dem kleinteiligen Vegesack einen übermäßigen Maßstab entgegen. Die oberste Kante des flachen Dachkörpers vom neuen Haven Höövt liegt noch höher als die Dachfirste im gegenüberliegenden unteren Vegesack. Häuser mit Giebeln wirken aber kleinteiliger als flach abgedeckte Häuser mit kastenförmigem Umriß.

Das Modell zeigt aber einen luftigen Komplex mit gefächerten Dächern, die an Fischereihallen erinnern sollen. Außerdem gibt es viel Glas.

Durch die Flachdächer schafft man aber einen Komplex, der circa 100 Meter lang und circa 12 Meter hoch ist. Dadurch entsteht auf dieser Seite des Hafenbeckens eine maßstäblich völlig neue Welt, die insgesamt massiv wirkt.

Wie konnte es zu solch einer Planung kommen? Sollte der Komplex möglichst billig werden?

Das glaube ich nicht. Diese neuen technischen Bauten tragen viel aufwendiges High-Tech in sich.

Dann sind also die Architekten schuld?

Nein. Die Verantwortung tragen alle, die diese Planung unterstützen. Der geplante Baukörper zeigt schon, daß man sich bemüht hat zu differenzieren. Es gibt Architekten und Investoren, die etwas Auffallendes bauen wollen. An diesem Ort aber ist die Einbindung in die bestehende Ordnung geboten.

Trotz aller städtebaulicher Vorgaben muß die Planung aber auch finanzierbar sein. Nun ist ein Investor da, der investieren will. Er hat das Gelände gekauft und kann nunmehr fast alles tun, was er will.

Er kann nicht alles tun, was er will, wenn er die Menschen vor Ort befriedigen muß. Das ist die Aufgabe, wenn man in eine vorgedachte und vorgegebene Umgebung eintritt. Ich habe einfach mal am freien Zeichentisch untersucht, ob das Ganze auch anders umzusetzen ist. Ich bin zu dem Ergebnis gekommen, daß sich sehr wohl das Programm anders unterbringen läßt – mit einer Lageplangestaltung, die auch zeitgerecht ist aber sich zugleich einfügt in den gegebenen Zusammenhang.

Die Bevölkerung und die Grünen forderten zum Beispiel mehr Kleinteiligkeit und mehr Frischluftschneisen ...

Die Bevölkerung hat ein gutes Gefühl dafür, was in ihrem Heimatort angemessen ist. Ich denke, der Investor hat einfach nicht die Gründlichkeit an den Tag gelegt, die man an dieser Stelle von ihm verlangen muß.

Bremens Baustaatsrätin Ursula Luther soll versucht haben, noch in die Pläne eingreifen ...

Ich nehme an, daß an den Plänen weiter mitgedacht wird, weil auch der Bauverwaltung daran liegt, daß die Planung konform gehen wird mit den Anliegen und der Meinung der Vegesacker Bevölkerung.

Die Politik erhofft sich Arbeitsplätze und beugt sich vielleicht dem „Würgegriff des Investors“, der ordentlich Geld investieren will ...

Auch wir und die Bürger wollen Arbeitsplätze. Aber trotzdem meine ich, daß wir nicht vor diesem Mammon Geld erstarren müssen. Ich hoffe, daß man noch eine andere Lösung überlegen wird.

Aber das kostet den Investor Zeit und Geld.

Wenn man 140 Millionen Mark investiert, kann man auch die Pläne verbessern.

Würden Sie mit dem Investor in Kontakt kommen, wenn er es wünscht?

Selbstverständlich. Aber nicht, weil ich die Planung für das Haven Höövt übernehmen will. Darum geht es mir nicht. Ich bin Vorsitzender der Vereinigung für Städtebau, die sich auch an anderen Stellen schon in der Vergangenheit eingemischt hat – früher im Zusammenhang mit dem ehemaligen Vorsitzenden Professor Wilhelm Wortmann zum Beispiel auch bei der Zweitauflage der Grohner Dühne im unteren Vegesack. Ich bin der Meinung: Wer mit verbundenen Augen plant, muß damit rechnen, in letzter Minute zurückgepfiffen zu werden. Die Investoren sollten auch aus eigenem Nutzen die massiven Proteste aus der Bevölkerung ernst nehmen und nunmehr die berechtigten Anliegen für eine allseits verträgliche Lösung noch einmal überdenken.

Fragen: Katja Ubben

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