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Der General geht, ein Schlapphut kommt

■ Ende der Spekulationen: Schönbohm geht nach Brandenburg, Ex-Verfassungsschutzchef Werthebach wird Innensenator, Staatssekretär Branoner rückt doch zum Wirtschaftssenator auf. Krüger folgt auf Bergman

Die Große Koalition hat sich wieder gefangen, das Regierungsteam ist komplettiert: Seit gestern steht als Nachfolger für den tatsächlich scheidenden Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) der ehemalige Verfassungsschutzpräsident Eckart Werthebach (parteilos) fest. Wirtschaftsstaatssekretär Wolfgang Branoner (CDU) ersetzt Wirtschaftssenator Elmar Pieroth (CDU). Das verkündete gestern der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU).

Auch bei der SPD sind die Würfel gefallen: Für Christine Bergmann (SPD) soll künftig der ehemalige Jugendsenator Thomas Krüger (SPD) das Arbeitsressort leiten, so die Pläne der SPD. Den Bereich Frauen, den Bergmann bislang ebenfalls führte, soll Finanzsenatorin Fugmann-Heesing (SPD) übernehmen. Diese Lösung wurde gewählt, um den Bedenken vieler Sozialdemokratinnen gegen einen Mann als Frauensenator gerecht zu werden.

Alle gestern vorgeschlagenen oder bekanntgewordenen Lösungen müssen in der kommenden Woche noch von den jeweiligen Parteigremien bestätigt werden. Dann geht die letzte Entscheidung an das Abgeordnetenhaus, das am 12. November – so sehen es die Pläne der Koalition vor – die neuen SenatorInnen wählen soll.

Am gestrigen Vormittag hatte der amtierende Innensenator Schönbohm seinen bevorstehenden Wechsel nach Brandenburg und seinen damit verbundenen Rückzug vom Senatorenamt bekanntgegegeben. Schönbohm sagte, daß der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) ihm keinerlei Ultimatum gestellt habe, sein Amt aufzugeben. „Ich habe mich selbst aus dem Amt gedrängt.“ Seinen Entschluß habe er aus freien Stücken gefaßt. Er bedauerte, daß es nicht möglich gewesen sei, zugleich Innensenator und CDU-Landesvorsitzender in Brandenburg zu sein.

Die Entscheidung, nach Brandenburg zu gehen, sei ihm nicht leichtgefallen. Er gehe schließlich nicht ins „Schlaraffenland“ oder auf eine „Südseeinsel“. Die CDU in Brandenburg hatte bei den Bundestagswahlen mit 20,8 Prozent ihr bundesweit schlechtestes Ergebnis erzielt. Die Brandenburger CDU- Spitze hatte den 61jährigen Schönbohm vor zwei Wochen aufgefordert, den Landesvorsitz der Union zu übernehmen und die Partei als Spitzenkandidat in die Landtagswahlen 1999 zu führen.

Bis zu einer möglichen Fusion zwischen Berlin und Brandenburg im Jahre 2004 werde er seine Aufgabe als CDU-Landeschef erfüllen. „Ich betrachte mich als Brücke“, sagte Schönbohm.

Zeitgleich mit der Erklärung, daß Werthebach Schönbohms Nachfolger wird, präsentierte der Regierende Bürgermeister gestern auch Wolfgang Branoner. Branoner gilt bereits seit über einem Jahr als potentieller Nachfolger von Pieroth. Innerparteiliche Widerstände hatten seinen Amtsantritt bislang ebenso verhindert wie Diepgens Bemühen, einen profilierten Kandidaten von außerhalb zu finden.

Noch am Donnerstag hatte Senatssprecher Butz eine solche „Außenlösung“ angekündigt, die offenbar scheiterte. Jetzt erklärte er, Diepgen traue Branoner „als noch jüngerem Politiker“ zu, „die Wirtschaftspolitik Berlins auch mit neuen Akzenten für eine lange Zukunft zu gestalten“. Der 42jährige, der als Vertreter des liberalen CDU-Flügels gilt, war schon nach der Wahl 1995 als ministrabel gehandelt worden.

Die Aufsplittung des bisherigen Ressorts Arbeit, berufliche Bildung und Frauen hat nach Angaben des SPD-Fraktionssprechers Peter Stadtmüller die scheidende Senatorin Christine Bergmann (SPD) vorgeschlagen. SPD-Fraktionschef Klaus Böger unterstütze die neue Aufteilung, weil damit auch der Ost-Aspekt berücksichtigt werde. Der künftige Arbeitssenator Thomas Krüger kommt aus dem Ostteil der Stadt.

Zur Zukunft der Kreuzberger Sozialstadträtin Ingeborg Junge- Reyer (SPD), die zunächst als Senatorin, dann als Staatssekretärin im Gespräch war, wollte sich Stadtmüller nicht äußern. Aus der SPD war zu hören, daß Junge-Reyer wahrscheinlich in Kreuzberg bleiben werde. Sie selbst wollte nichts dazu sagen. Als Frau aus dem Westen hatte sie keine Chance.

Nun bleibt nur noch die Staatssekretärsrochade offen. Bis gestern gab es noch keine Entscheidung darüber, wer Branoner in der Wirtschaftsverwaltung nachfolgen soll, mit wem Thomas Krüger arbeiten wird und gegen wen der in Ungnade gefallene Gesundheitsstaatssekretär Detlef Orwat ausgewechselt wird. babs, nau, rab, sam

Kommentar Seite 12, Porträt Seite 30

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