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Der saubere Generalmajor

„Die sagten mir schon, dass ich verrückt bin.“ Doch nachgeben würde Williams nie.

aus Lagos HAKEEM JIMO

Die Tür zu seinem Büro steht immer offen – schon aus Trotz. So war es auch während seiner Spitzenkarriere beim Militär. Jeder soll sehen, dass General Ishola Williams nichts zu verheimlichen hat, dass keine dubiosen Geschäfte oder Abmachungen hinter verschlossenen Türen stattfanden – wie das so oft geschieht im korruptesten Land der Welt.

Dieser unrühmliche Titel wurde Nigeria in diesem Jahr von der Anti-Korruptions-Organisation „Transparency International“ verliehen. In der Korrumpierbarkeitsliste von neunzig Ländern, herausgegeben von der in Berlin ansässigen Nichtregierungsorganisation, schneidet das westafrikanische Land nicht zum ersten Mal am schlechtesten ab.

Generalmajor a.D. Rotimi Olasehinde Ishola Williams ist ob des schlechten Abschneidens Nigerias nicht verwundert. Er vertritt die international renommierte Anti-Korruptions-Organisation in seinem Heimatland Nigeria. „Mich wundert nur, wie die Nigerianer darauf reagierten. Wieder einmal fühlen sich die meisten ungerecht behandelt. Aber fast alle sind bestechlich oder schmieren andere.“

Dann grummelt der mittelgroße Mann in seinen Vollbart, dass auch die seit fast zwei Jahren amtierende, demokratische Regierung nicht ernsthaft den Kampf gegen die Korruption aufnehme. „Im Grunde ist hier immer noch business as usual – und zwar korruptes Business.“ Der General kneift beim Nachdenken über die Lage seines Landes die sowieso schon kleinen Augen noch enger zusammen. Das sonst immer freundliche Gesicht des 57-Jährigen wird streng, sein Blick, seine Stimme werden fest.

Generalmajor Williams ist ein Mann mit Prinzipien. Wenn die staatseigene Telefongesellschaft mal wieder die Büro-Apparate absichtlich stilllegt, um sich die Mehrarbeit zur Entstörung bezahlen zu lassen, dann schreibt der Exgeneral so lange Briefe an die Direktion, bis die es sich doch noch einmal anders überlegt. Nachgeben würde der während der Militärzeit auf Informationstechnik spezialisierte Generalmajor nie. „Die sagten mir schon, dass ich verrückt bin. Und wenn ich zwei Monate eine tote Leitung habe – dann schreibe ich eben mehr Briefe.“

Seine Sturheit hat Williams auf der Karriereleiter des nigerianischen Militärs weit aufsteigen lassen – eine der größten Armeen in Afrika, aber auch eine der berüchtigtsten. Bis auf wenige Jahre ziviler Herrschaft putschten und herrschten nigerianische Militärs regelmäßig seit der Unabhängigkeit im Jahre 1960. Die machthabenden Junta-Führer wurden jedesmal schnell zu den reichsten Männern im Land, was jüngere Offiziere auch wieder in Versuchung führte, eine ähnliche Karriere anzustreben. Die gierigen Militärs teilten unter sich die lukrativen Ölförderlizenzen auf und schanzten sich Staatsaufträge für den öffentlichen Sektor zu. Nigerias Wirtschaftskreislauf, so schätzt die Nigerianisch-Deutsche Handelskammer, hängt zu rund zwei Dritteln von Aufträgen der öffentlichen Hand ab.

Williams ist vielleicht der einzige General in Nigeria, der in der Armee nicht reich geworden ist. Er bereut seine mehr als dreißig Jahre beim Militär nicht. Auch wenn die Zeit Spuren an seinem immer noch sportlichen Körper hinterlassen hat. Einmal bekam er auch eine Kugel in den Arm.

Am ungeniertesten von allen raubte General Sani Abacha die Staatskasse leer. Der Despot putschte sich 1993 an die Macht des Landes und wurde einer der brutalsten und skrupellosesten Militärdiktatoren in der Geschichte Afrikas. Schätzungen zufolge hat General Abacha während seiner fünfjährigen Herrschaft rund fünf Milliarden US-Dollar auf eigene Konten abgezweigt. Teilweise machte er sich nicht einmal die Mühe, Transaktionen zu vertuschen, sondern schickte seinen ältesten Sohn Mohammed und andere Komplizen in einem Lkw direkt zur Zentralbank, um vornehmlich harte Währungen herauszukarren. Nigerianer, die gegen das diktatorische System aufbegehrten, gingen ins Gefängnis oder wurden umgebracht.

Williams ahnte schon vor Abachas Antritt, dass dessen Machtapparat alle bisherigen Militärregime in den Schatten stellen würde. Am Tag, als Abacha putschte, verfasste Williams sofort sein Kündigungsschreiben. Wenige Monate später trat der Exgeneral mit Transparency International in Kontakt und begann seinen Kampf gegen die Korruption in Nigeria. Es war eine gefährliche Zeit. Regelmäßig kamen Spitzel des Geheimdienstes zu ihm ins Büro, erzählt Williams. Sein Pass wurde für dreieinhalb Jahre eingezogen.

Aber auch heute noch hat die Anti-Korruptions-Organisation Schwierigkeiten, den Durchbruch zu schaffen. Nicht mehr als zwanzig Mitglieder zählt Transparency International in Nigeria. Das liegt wohl an den strengen Aufnahmeregeln, vermutet Williams. Transparency ist in Nigeria besonders streng. Wer eintreten will, muss sein gesamtes Vermögen und alle Einnahmen offen legen. Ishola Williams hat das getan. Er lebt in einem einfachen Einfamilienhaus in einem nördlichen Vorort der Wirtschaftsmetropole Lagos. Seine vier Kinder konnte er nur deshalb nach Amerika zur Schule schicken, weil Freunde ihm helfen. Seine Pension als General außer Dienst betrage 42.000 Naira (rund 760 Mark) pro Monat, sagt er. Und davon gebe er rund ein Drittel für die Angestellten im Transparency-Büro aus.

Als vor knapp zwei Jahren der gewählte Präsident Olusegun Obasanjo an die Macht kam, gab es kurzfristig einen Boom bei der Anti-Korruptions-Organisation mit Sitz in Lagos. Obasanjo saß bis zu seiner Rückkehr in die aktuelle Politik im Beratungsstab von Transparency International in Berlin. Vor allem Vertreter der politischen Elite wollten auf der richtigen Seite stehen, wenn Obasanjo seine groß angekündigten Anti-Korruptions-Pläne wahr machen würde. Doch von über 100 angeforderten Eintrittsformularen von Parlamentariern kam nicht ein einziges vollständig ausgefüllt zurück. Und auch die von Obasanjo installierte spezielle Ermittlungsbehörde sei wie das Verhalten der Abgeordneten nur taktisches Geplänkel, sagt Exgeneral Williams. Der Beginn der Arbeit der Korruptionsbehörde wurde vom Parlament mehr als ein Jahr verzögert.

Deswegen verwundern Williams auch nicht die jüngsten Bestechungsskandale, die bereits zwei Senatspräsidenten in weniger als zwei Jahren das Amt kosteten. „Regierung und Parlament behandeln Bestechung und Bestechlichkeit nur auf Nebenschauplätzen. Alle reden immer nur von der Undiszipliniertheit der Polizei und den bestechlichen Staatsbeamten, doch das Hauptübel sitzt ganz oben.“

Zumindestens drei Orte im Umfeld von General a.D. Williams sind korruptionsfrei: Sein Haus, das Transparency-Büro und seine Baseballmannschaft und -vereinigung. Williams ist der Präsident des nigerianischen und auch des afrikanischen Baseball-Verbandes. Er hofft, bei der nächsten Versammlung aller afrikanischen Mitgliedsstaaten in der nigerianischen Hauptstadt Abuja wieder gewählt zu werden. Wo sonst die Mächtigen Nigerias hinter verschlossenen Türen sitzen, werden die Türen zur Baseball-Versammlung weit offen stehen, sagt Williams und zieht seine blaue Baseballmütze ins Gesicht – als wäre sie ein Generals-Barett.

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