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der homosexuelle mann … von ELMAR KRAUSHAAR

… hat wieder einmal einen Kracher gelandet – einen Unterhaltungskracher. Daniel Küblböck heißt die neue Kronprinzessin des Boulevards, schließlich gab der 17-Jährige aus Eggenfelden auf seinem Weg zum „Superstar“ eine Paradevorstellung der entertainmentbegabten Jungtunte. Seine Gelhaarmähne schüttelte er wie Alice Kessler beim Absprung zum Synchronspagat mit Ellen, den Mund stülpte er vor den Mikrofonen wie eine saftige Tulpe in der Tischvase, und wenn er vor der Kamera kreischte, seine Fummel wechselte oder im Geisha-Schritt über die Bühne hopste, erinnerte er an ein ganzes Mädchenpensionat kurz vor dem Jahresball mit der Jungensschule von nebenan.

Dabei hat uns Küblböck – ohne es zu wollen und einzig, um den Regeln der Medien zu genügen – genauen Einblick gewährt in die Genese eines jungen Homosexuellen, vor dem Hintergrund der Post-Wowereit-Ära sowie der Verwertungsgier von Bild und RTL. Weil die Rolle es verlangte, hat Daniel alles offenbart: seine erotische Verwirrtheit zwischen den Geschlechtern, kurzzeitig dingfest gemacht als „Bisexualität“, sein unbedinger Wille zum Girlie, auch wenn der magere Jungskörper weit hinter dem Ideal zurückliegt, seine euphorischen Gefühlsbekundungen für die „Freundin“, die „beste Freundin“ und die „allerbeste Freundin“. So sieht es halt aus in einem, der eine vage Ahnung davon hat, dass seine Lebensfährte nicht den Spuren von Mami und Papi folgen wird, sondern eher denen von Freddie Mercury, Judy Garland und Rudolph Moshammer. Zugegeben, dieser Gang ist nicht leicht, aber manchmal lässt einem das Leben keine Wahl.

Alle dürfen wir teilhaben an der besonderen Pubertät, und alles spielt sich ab unter den verständigen Augen der Schwulen, die aus der Orientierungsphase schon rausgewachsen sind und sich herzlich freuen über den Küblböck’schen Neuzugang. Und unter den wissenden Augen der kleinen, kreischenden Mädchen, die intuitiv verstehen und noch gar nichts wissen von den Gesetzen der Großen. Nicht fehlen darf auf der Seite der Daniel-Befürworter die Lobby der Mütter, Frauen um die 40, ohne Kind zumeist, aber mit dem unbändigen Drang zur Gluckenstellung beim Anblick des grinsenden Zwitterwesens.

Den Schwulen, den Kindern und den Müttern gegenüber stehen die Verwirrten mit dem offenen Mund, die Bild-Leser, die Musikmanager und die Dieter-Bohlen-Kerle. Einen Mann können sie in Daniel nicht ausmachen, aber auch keine Frau. Dann muss er halt ein „schräger Vogel“ sein, ein „Suppenkasper“, ein „bisschen verrückt“. „Der hat ’ne Schraube locker“, meint auch Dieter Bohlen und verdrängt dabei, dass Küblböck näher dran ist an Verona und Naddel und Estefania, als ihm lieb sein kann. Der BMG-Boss Thomas Stein droht dagegen: „Er ist ein Rohdiamant, der noch geschliffen werden muss.“ Hat der fertige Diamant dann ein Geschlecht? Oder muss er nur schön sein, darf glänzen und schillern, mit einer Kraft ganz tief drinnen, die man nicht erkennt, auch wenn man ihn noch so sehr gegen gleißendes Licht hält?

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