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„Ersatzfrau“ auf dem Weg nach ganz oben

Die Wahlsiegerin und Chefin der Zentrumspartei, Anneli Jäätteenmäki, will Finnlands erste Regierungschefin werden

Nur ein Land auf der Welt hatte bislang gleichzeitig eine Frau auf dem Posten des Staats- und des Ministerpräsidenten: Sri Lanka. Anneli Jäätteenmäki möchte diesen weiblichen Doppelpack nun gerne für Finnland verwirklichen. Den zweiten Schritt dazu machte die 48-jährige Juristin am Sonntag mit dem Wahlsieg ihrer Zentrumspartei.

Beim traditionellen Kopf-an-Kopf-Rennen mit den Sozialdemokraten um die Ehre der größten Fraktion siegte das Zentrum zwar nur mit 7.000 Stimmen oder 0,2 Prozent. Doch war dies die Voraussetzung dafür, bei dem Versuch einer Regierungsbildung in die „Pole-Position“ zu rücken. Diese fällt seit einer Verfassungsänderung in der zu Ende gegangenen Legislaturperiode, in der ein insoweit bestehender Spielraum des Präsidenten abgeschafft wurde, nun automatisch der Vorsitzenden der größten Parlamentspartei zu.

Den ersten Schritt auf dem Weg zum Ministerpräsidentensessel war Anneli Jäätteenmäki eher gestolpert und gedrängt worden. Esko Aho, starker Mann des Zentrums und dessen unangefochtener Vorsitzender, wollte sich vor drei Jahren nach der Präsidentschaftswahlniederlage gegen Tarja Halonen von der Politik erholen und nahm ein Jahr „Time-out“. Seine Statthalterin für diese Zeit sollte Jäätteenmäki sein. Er sah in ihr keine Person mit eigenen Ambitionen auf das höchste Parteiamt, die ihm gefährlich werden konnte.

Damit täuschte er sich. Nach seinem „Time-out“ war es für ihn auch mit der Popularität in den eigenen Reihen zu Ende und das Zentrum wählte im Sommer vergangenen Jahres die „Ersatzfrau“ Jäätteenmäki. Für die traditionelle Partei der Bauern und der Landbevölkerung ein durchaus revolutionärer Schritt.

Die elegante Frau, mit einem Parlamentsmandat in Helsinki, entsprach gar nicht dem Bild eines bis dahin „typischen“ ländlichen Zentrumspolitikers. Das Experiment gelang. Ihren größten Stimmenzuwachs holte das Zentrum nun dank Jäätteenmäki bei der städtischen WählerInnenschaft. Ihre Wurzeln hat sie allerdings im traditionellen Einzugsgebiet der Zentrumspartei.

1955 in einer Bauernfamilie in Lappo in Westfinnland geboren, studierte sie Jura, wurde Richterin, dann Verwaltungsjuristin. 1987 zog sie erstmals für das Zentrum in den Reichstag ein und machte politische Karriere.

Von 1993 bis 1995 war sie in der von Esko Aho geführten Regierung Justizministerin. Unter dieser eher EU-skeptischen Regierung – diese vorsichtige Skepsis hat sich Jäätteenmäki bewahrt, sie bezeichnet sich aber nicht als EU-Gegnerin – trat Finnland der Union bei. Dies war gleichzeitig die letzte Regierungsperiode, bevor die traditionell mit an den Hebeln der Macht sitzende Zentrumspartei von Paavo Lipponens Regenbogenkoalition in die Opposition verbannt wurde. Um sie wieder herauszuführen, müsste Jäätteenmäki nun ein dritter Schritt gelingen: eine Parlamentsmehrheit hinter sich zu sammeln.

Wie es ihrer zurückhaltenden Persönlichkeit entspricht, erhob sie in der Wahlnacht keinen „Anspruch“ auf dieses Amt, sondern versprach lediglich: „Ich werde mein Bestes versuchen.“ Gelingt’s, könnte das Land, das als Erstes das Wahlrecht für Frauen einführte, den ersten weiblichen Verteidigungsminister hatte und auch mit einer Frau auf dem Präsidentenposten ganz vorn lag, eine neue historische Marke setzen. REINHARD WOLFF

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