: Straßen sollen nach Nazi-Opfern heißen
lm Kölner Stadtteil Brück wird über neue Straßennamen debattiert. Die Geschichtswerkstatt schlägt als Namensgeber zwei Verfolgte des Faschismus vor, der CDU-nahe Bürgerverein möchte lieber Städtenamen aus dem Sauerland
KÖLN taz ■ Der Gewerkschafter Peter Hagen wurde 1944 im Konzentrationslager Buchenwald ermordet. Der Lehrer Otto Unger entkam dem Abtransport ins Todeslager in letzter Minute. Beide Männer lebten in Köln-Brück, nach beiden sollen jetzt Straßen in einem Brücker Neubaugebiet benannt werden. Einen entsprechenden Antrag hat die „Werkstatt für Ortsgeschichte Köln-Brück e.V.“ bei der zuständigen Bezirksvertretung Kalk eingereicht und bringt damit SPD, Grüne und CDU in Verlegenheit.
Sozialdemokraten und Grüne finden den Vorschlag grundsätzlich gut. Der grünen Bezirksvertreterin Karin Schmitt allerdings kommt die neue Idee nicht ganz zupass: „Wir hatten uns schon mit den anderen Parteien geeinigt, die etwa zehn Straßen nach verdienten Frauen zu benennen. Denn auch da haben wir einen Nachholbedarf.“ Sie denkt aber genau wie SPD-Fraktionsvorsitzender Michael Neubert, dass eine Lösung gefunden werden kann, die beide Vorschläge verbindet. Den Straßen wie in der Nachbarschaft die Namen von Städten aus dem Sauerland oder dem Bergischen zu geben, davon halten SPD und Grüne nichts.
Diesen Vorschlag hat der CDU-nahe Bürgerverein eingebracht, und Julius Knappertsbusch (CDU) – er führt die mit neun Sitzen stärkste Fraktion in der 19-köpfigen Bezirksvertretung – kann einem „einheitlichen Namensteppich“ viel abgewinnen. Doch eine Entscheidung mag er noch nicht treffen. „Alle Ideen sind gut“, sagt er, „aber das müssen wir noch diskutieren“. Vor der Kommunalwahl im September sei deshalb kaum mit einer Entscheidung zu rechnen, zumal alle Vorschläge noch von der Verwaltung auf „inhaltliche Richtigkeit“ überprüft werden müssten.
Fritz Bilz von der Geschichtswerkstatt sieht seinen Vorschlag als wichtigen Beitrag „gegen das Vergessen“ und als Verweis darauf, dass Widerstand immer möglich sei. So sei der antifaschistische Kampf von Peter Hagen lange vergessen gewesen. Erst durch Zufall sei er auf dessen Geschichte gestoßen, sagt Bilz. Gleiches gelte für Unger, der von 1945 bis 1956 an einem Deutzer Gymnasium unterrichtete. „Über seine Zeit unter den Nazis hat er nie geredet“, hat Bilz bei seinen Nachforschungen über jüdisches Eigentum in Köln herausgefunden. Obwohl evangelisch getauft, galt Unger nach den „Rassegesetzen“ für die Nazis als Jude, sein Haus wurde 1942 beschlagnahmt. Seine nicht-jüdische Ehefrau und sein Sohn konnten sich dem Abtransport in ein Konzentrationslager durch Flucht entziehen, er selbst wurde vom Pfarrer von St. Alban am Gürzenich versteckt.
Jürgen SCHÖN
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen