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WAS MACHT EIGENTLICH ... die Kunst?Alles sauber

Wohl dem, der Chiffren lesen kann: Berlin steckt voller rätselhafter Zeichen, die den Beobachter unvermittelt in den inneren Erklärungsnotstand befördern können. Erst sind es mit Antennen bestückte Honigbienen (s. taz von gestern), dann stolpert man auf dem U-Bahnhof Alexanderplatz – jedenfalls visuell – über zwei tipptopp polierte Schienenstränge mit vergoldeten Befestigungsmuttern. Was ist das denn? Ein Denkmal für Mehdorns Repräsentationswahn? Dafür reicht doch die Glasröhre des Lehrter Bahnhofs vollkommen aus. Außerdem fährt hier die BVG.

Nein, die spiegelblanken Gleise sind Teil des Kunstprojekts „Sauberkeit, Service, Sicherheit“, mit dem die Kreuzberger Neue Gesellschaft für Bildende Kunst (NGBK) gerade den Bahnhof der U 2 bespielt. „Arbeiten am Gleisbett“ heißt die Arbeit von Jan Sledz und Henning Tilp, die darin besteht, dass die beiden zwei Wochen lang mit einem Helfertrupp das Metall auf Hochglanz wienern – nachts, versteht sich, denn im Mittelpunkt steht hier ja die Sicherheit (s. o.).

Wem die fragile Poesie des entblößten, von Rost, Ruß und Schmierfett ständig bedrohten Materials nicht reicht, der kann bei der NGBK nachlesen, wie man die Schienenchiffre lesen kann: als „ironische Überhöhung hinsichtlich des Anspruchs an Sauberkeit“.

Mal abgesehen davon, dass einem angesichts der ganz und gar unkünstlerischen Versifftheit des Berliner Untergrunds die Ironie quer im Halse stecken bleibt: Fleiß und Ausdauer des Teams sind beachtlich. Die BVG sollte eine Festanstellung unbedingt in Erwägung ziehen. CLP FOTO: AP

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