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NOCH IMMER STEHT DER FRIEDENSPROZESS IN AFGHANISTAN AM ANFANGIm Frühjahr kehrt die Gewalt zurück

Nicht einmal in einer Moschee sind Afghanen mehr vor einem Selbstmordanschlag sicher. Der gestrige Anschlag in Kandahar mit bis zu 20 Toten war bisher der verheerendste in diesem Jahr. Noch hat sich niemand dazu bekannt, doch der Verdacht fällt auf die Taliban. Die Bombe explodierte bei der Trauerfeier für einen Taliban-kritischen Geistlichen, zu dessen Ermordung sich die Taliban bekannt hatten. Gestern war der Polizeichef von Kabul das prominenteste Opfer. Er war zuvor Polizeichef in Kandahar, einst Hochburg der Taliban.

Beunruhigend an der gestrigen Bombe ist, dass sie von einem Selbstmordattentäter gezündet wurde. Solche Anschläge waren in Afghanistan bisher Ausnahmen. Beunruhigen muss zudem, dass es in den vergangenen Wochen eine lange Reihe gewaltsamer Auseinandersetzungen gegeben hat. Sie strafen diejenigen Lügen, die wegen eines Rückgangs der Kämpfe zur Winterpause bereits das Ende der Taliban ausgerufen hatten. Die hatten zwar mit den Präsidentschaftswahlen im Oktober eine Schlappe erlitten. Doch seit Wochen melden sie sich zurück – mit Gewalt.

Damit stehen sie allerdings nicht alleine da. Im Vorfeld der Parlaments- und Regionalwahlen im kommenden September verschärfen sich Machtkämpfe von Warlords und Clans. Anders als bei den Präsidentschaftswahlen, wo es am Sieg Hamid Karsais keinen Zweifel gab, geht es jetzt bei der Verteilung von Posten und Pfründen ans Eingemachte.

Dreieinhalb Jahre nach dem Sturz des Taliban-Regimes ist Afghanistan noch immer ein Pulverfass. Die von der UNO geschickte Friedenstruppe Isaf ist zu klein und bleibt weitgehend auf die Hauptstadt Kabul konzentriert. Die Warlords durften ihre Waffen behalten und finanzieren sich weiter durch den Opiumanbau – dessen Bekämpfung nun ebenfalls zur Destabilisierung des Landes beiträgt. So ist die Lage selbst in Kabul weiter labil. Erst am Montag schlug im Isaf-Hauptquartier eine Rakete ein, die zum Glück niemand verletzte. Dass selbst die Isaf noch immer nicht einmal den Beschuss ihres eigenen Hauptquartiers verhindern kann, zeigt, dass Afghanistan bei der Befriedung trotz mancher Teilerfolge noch immer am Anfang steht. SVEN HANSEN

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