: Vom Bauarbeiter zum Handlanger
Degradierung auf der Baustelle: Ehemalige Beschäftigte des bankrotten Maculan-Konzerns verdienen bei Neueinstellung weniger Geld als vorher. Unternehmen drohen: Wer klagt, fliegt raus ■ Von Hannes Koch
Neuer Job, weniger Geld. So geht es vielen Bauarbeitern, die nach dem Konkurs des Maculan- Konzerns neue Arbeitsverträge bei anderen Unternehmen unterschrieben haben. „In 90 Prozent der Fälle liegen die heutigen Löhne wesentlich unter den früheren“, weiß Maculan-Betriebsrat Thomas Gambke. Wie entlassene Arbeiter anderer Firmen auch, müßten sich seine ehemaligen Kollegen auf dem engen Arbeitsmarkt „unter Preis verkaufen“.
Im März diesen Jahres war der österreichische Maculan-Konzern, mit rund 5.000 Beschäftigten zwischen Elbe und Oder einer der größten Bauarbeitgeber Ostdeutschlands, in die Pleite geschlittert. In Berlin wurde das Konkursverfahren für die Maculan-Tochter Ingenieurhochbau Berlin GmbH (IHB) eröffnet, einem traditionsreichen Betrieb aus DDR-Zeiten. Von den zuletzt rund 600 Bauarbeitern der IHB sind mittlerweile rund 350 bei anderen Unternehmen untergekommen.
Insgesamt arbeiten von den einstigen Maculan-Beschäftigten in Ostdeutschland und Berlin zur Zeit knapp 1.500 in umstrukturierten und verkauften Betrieben. Heuern die Bauarbeiter bei anderen Firmen an, haben die neuen Jobs ihren Preis. Aufgrund des Überangebotes an Arbeitkräften können die Unternehmer die Bedingungen diktieren. „Wer vorher als Facharbeiter tätig war, wird jetzt als Bauhelfer bezahlt“, erklärt Betriebsrat Thomas Gambke, einer der letzten Beschäftigten der IHB. Die Degradierung um mehrere Lohngruppen könne den Verlust von fünf Mark pro Arbeitsstunde bedeuten. Anstatt 25 Mark blieben dem Arbeiter dann nur noch 20 Mark brutto fürs Mauern und Betonieren.
Namen von Firmen und konkrete Fälle will der Betriebsrat nicht nennen, um die Kollegen zu schützen. Häufig, fügt Gambke hinzu, würden die neuen Arbeitsverträge keine Vereinbarungen über Überstundenzuschläge und Urlaubsgeld enthalten. Die Bauarbeiter hätten zwar die Möglichkeit, vor Gericht gegen die Bedingungen zu klagen, weil diese dem Rahmentarifvertrag widersprächen. Doch die Unternehmen säßen am längeren Hebel: Wer klagt, fliegt raus.
In den meisten Fällen sähen die neuen Arbeitsverträge zudem eine verlängerte Probezeit von sechs Monaten vor, berichtet Gambke. Sinn dieser für die Arbeitgeber vorteilhaften Regelung: Rechtzeitig zur Winterruhe auf den Baustellen können sie ihre Beschäftigten ohne große Komplikationen auf die Straße setzen.
Während der Konkursverwalter die IHB endgültig abwickelt, sucht die Tief- und Verkehrsbau GmbH, die zweite große Maculan- Tochter in Berlin, noch einen Käufer. Für das wirtschaftlich gesunde Unternehmen, das einen Teil des Tiergartentunnels baut, interessiert sich der Kölner Unternehmer Peter Jungen.
Bevor Maculan die Tiefbau GmbH kaufte, gehörte der Betrieb schon einmal zu Jungens Firmengruppe. Sollte der Investor die Tiefbau jetzt wieder übernehmen, wird er wohl zwischen dem damaligen Verkaufs- und dem gegenwärtigen niedrigeren Kaufpreis einen hübschen Gewinn einstreichen können. Beim Betriebsrat der Tiefbau GmbH geht man davon aus, daß beim Verkauf des Unternehmens noch einige der 950 Arbeitsplätze wegfallen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen