: Hamburger Bahnhof als Kunstraum
■ Nach vier Jahren Bauzeit wird der ehemalige Bahnhof Domizil des Museums für Gegenwart und der Sammlung des Bauunternehmers Marx. Neue Ausstellungshalle von Architekt Kleihues
Berlin hat ein kleines Musée d'Orsay. Denn wie das Museum an der Seine hat sich der ehemalige Hamburger Bahnhof vom Verkehrsbauwerk zum Kunstraum gewandelt. Nach vier Jahren Bauzeit stellte gestern der Architekt Joseph Paul Kleihues die Modernisierung der Bahnhofshalle und den Erweiterungsflügel vor. Zugleich wurde das Museum für zeitgenössische Kunst – offiziell trägt es den etwas unsinnigen Namen „Museum für Gegenwart“ – vom Bausenator an den zukünftigen Nutzer, die Staatlichen Museen zu Berlin, übergeben. Damit fand der lange Transit des Gebäudes vom Kopfbahnhof der Hamburger Bahn im Jahre 1847 über das Baumuseum bis zum Leerstand und Ausstellungsprovisorium nach dem Zweiten Weltkrieg jetzt ein vorläufiges Ende.
Das 100 Millionen Mark teure Museum wird in den kommenden Monaten bis zur Eröffnung am 1. November eingerichtet. Im Zentrum der Ausstellung wird die Sammlung Erich Marx stehen. Der Baulöwe stellt dem Museum „als Dauerleihgabe“ Werke von Joseph Beuys, Andy Warhol sowie Cy Twombly, Keith Haring und Robert Rauschenberg zur Verfügung.
Noch ganz leer stellte sich gestern die Architektur als Kunst aus. Der alte Bahnhof sei „im Sinne eines poetischen Realismus und Rationalismus“ umgebaut und erweitert worden, sagte Kleihues. „Klarheit und Sachlichkeit“ hätten die Modernisierung bestimmt. So wurde die historische Abfahrtshalle aus Glas und Eisen nur wenig verändert. Die Schauräume in den Seitenflügeln des U-förmigen klassizistischen Kopfbaus hat Kleihues fast künstlich in die historische Hülle „implantiert“. Lediglich die Treppenhäuser und Galerien im Kopfbau wurden wieder mit ein wenig Stuck angereichert.
Parallel zur alten Abfahrtshalle ist Kleihues der große Wurf gelungen: Der neue kolossale Ausstellungsflügel – die helle „Ostgalerie“ – ist mit rund 90 Meter Länge nicht nur selbst ein Kunstraum. Die Architektur verweist zugleich auf die Tradition der langgestreckten Räume, die zur Aufnahme von Bildersammlungen dienten. Das geplante Pendant – die „Westgalerie“ – sei aus Kostengründen nicht gebaut worden, erinnerte Bausenator Jürgen Klemann (CDU). Dennoch dürften die Pläne für den 24 Millionen Mark teuren Anbau sowie der Skulpturengarten „nicht aus den Augen verloren werden“. Kleihues hatte 1989 mit diesem symmetrischen Konzept den Bauwettbewerb für die Erweiterung des einstigen Bahnhofs gewonnen.
Dem Architekten, der derzeit mit Privataufträgen die halbe Stadtmitte mal recht, mal schlecht mit Bürobauten zubetoniert, sei mit dem öffentlichen Museumsbau „ein Highligth für Berlin“ gelungen, lobte auch Kultursenator Peter Radunski. Daß das „Highlight“ es vielleicht schwer haben könnte zu glänzen, wie Kritiker des Ausstellungskonzepts fürchten, sollte von den Museumsmachern durchaus ernst genommen werden.
Um die Konzeption hatte es in den vergangenen Jahren heftigen Streit gegeben hatte, in deren Verlauf der „Bahnhofsvorsteher“ Direktor Wulf Herzogenrath 1994 nicht ohne das Zutun des Sammlers gekippt wurde. Ein Teil der Marx-Bilder wandert nun in die Neue Nationalgalerie.
Auch nach dem Abschied von Herzogenrath dürfte die „klassiche Ausstellungslösung“, wie sie Erich Marx und sein Adlatus, der Kunsthändler Heiner Bastian, forderten, nicht das letzte Wort sein. Statt der Beuys-Räume und anderer räumlicher Trennungen „in wertvoll und darunter“, so der Vorwurf, sollte über die „Mischung“ von Medien und Kunstwerken weiter nachgedacht werden. Rolf Lautenschläger
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