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Ein ganz „ehrlicher“ Umbau

Der Deutsche Dom am Gendarmenmarkt wurde mit modernen Mitteln zur Ausstellungshalle für die Schau „Fragen an die Deutsche Geschichte“ umgebaut  ■ Von Ulrich Clewing

Eine dichte, schwarze Rauchwolke lag über der Stadt und verdunkelte die Sonne. Als vor zwei Jahren in der Kuppel des Deutschen Doms ein Großfeuer ausbrach, schien der termingerechte Umbau der Kirche zur Ausstellungshalle in weite Ferne gerückt. Doch nun ist die Sanierung abgeschlossen und im Oktober kann das Gebäude der künftigen Bestimmung als Museum übergeben werden.

Der Deutsche Dom am Gendarmenmarkt blickt auf eine wechselvolle Geschichte zurück: 1701 von Martin Grünberg begonnen, blieb der Bau jahrzehntelang unvollendet. 1785 erhielt die Kirche ihren charakteristischen, über sechzig Meter hohen Turm nach Plänen von Carl von Gontard. Einhundert Jahre später wurde sie noch einmal komplett umgestaltet und im Stil des Neobarock über dem ursprünglichen Grundriß neu erbaut.

Nach Beschädigungen im Zweiten Weltkrieg verfiel die Ruine, bis sich der Ostberliner Magistrat 1984 daran machte, das Gebäude zu rekonstruieren und zur Kunsthalle umzugestalten. Nach dem Mauerfall verwaiste der Dom erneut. Erst mit dem Beschluß des Bundestages, Berlin zur Hauptstadt zu machen, wurde auch die Idee wiederbelebt, das Haus für Ausstellungen zu nutzen. Die Oberaufsicht übernahm Barbara Jakubeit von der Bundesbaudirektion, die, nach einem Intermezzo als Architekturprofessorin an der TU-Darmstadt, seit Anfang August Senatsbaudirektorin ist.

Jakubeits Vorgaben waren klar: Das Äußere der Kirche sollte in der neubarocken Variante wiederhergestellt, das Innere dagegen mit zeitgenössischen Mitteln ausgebaut werden. Den Auftrag für den Innenausbau erhielt 1992 der Berliner Architekt Jürgen Pleuser, ein ehemaliger Mitarbeiter von Axel Schultes, dem Entwerfer des Bundeskanzleramtes am Spreebogen.

Beim Innenausbau des Deutschen Doms ist Pleuser etwas gelungen, was selten ist, zumal in Berlin: eine „ehrliche“ Bauweise. Die Spuren der Vergangenheit, die verschiedenen „Zeitschichten“ und Bauphasen, die den Dom geprägt haben, lassen sich leicht und deutlich erkennbar ablesen. Bereits in dem Eingangsbereich im engen Sockelgeschoß des Turms erwarten die BesucherInnen harte Kontraste. Pleuser ließ den zu DDR-Zeiten angebrachten grauen Putz abschlagen, legte das historische Mauerwerk frei. Dagegen hebt sich die zu DDR-Zeiten eingebaute Wendeltreppe aus Beton dramatisch ab. Von der DDR- Planung übernommen hat Pleuser auch die drei Ausstellungsebenen im ehemaligen Kirchenschiff sowie die futuristisch anmutende Kuppel im Sputnik-Design, die alle noch in den achtziger Jahren installiert worden waren.

Alles wirkt ansprechend, nicht geschmäcklerisch

Allerdings sollte man sich davor hüten, den Respekt vor den Hinterlassenschaften der DDR-Architekten überzubewerten. Oft waren es pragmatische Gründe, die Bauherrn und Planer an den Überbleibseln des DDR-Umbaus festhalten ließen. Wie Pleuser bei der Begehung des Doms freimütig zugab, wäre es schlicht und ergreifend zu aufwendig und zu teuer gewesen, die Betongerippe zu entfernen.

Für die Wandgestaltung im Ausstellungsbereich hat Pleuser das Rot der Backsteine im Treppenhaus aufgenommen. Davor brachte er Verblendungen aus einem milchigen plexiglasähnlichen Kunststoff an, die den hohen Kirchenraum in ein gedämpftes, angenehm warmes Licht tauchen. Die leicht gekrümmten Wandteile, die die Ausstellungsräume von den Zugängen abtrennen, sind weiß verputzt und in unzähligen Arbeitsgängen extrem glatt auf Hochglanz poliert.

Das gleiche gilt für den anthrazitgrauen Bodenbelag, den Pleuser aufgrund von dessen besonderer Beschaffenheit auch „Steinteppich“ nennt. Das alles wirkt, zumindest im baufrischen Zustand, sehr ansprechend und ästhetisch, ohne ins rein Geschmäcklerische abzurutschen.

Neu eingebaut wurden zudem ein Kino, ein Vortragssaal, ein Café und die beiden Treppenhäuser. Sie verbinden Turm und Ausstellungsraum und überzeugen durch raffinierte, die Raumwahrnehmung auf den ersten Blick verwirrende Durch- und Ausblicke. Ein Übriges tut die ausgeklügelte Lichtführung des Bonner Andreas Schulz, der für die Beleuchtung des Gebäudes zuständig war.

Und den am Innenausbau des Doms beteiligten Firmen ist noch ein weiteres Kunststück geglückt. Mit Kosten von 30 Millionen Mark ist die ursprünglich veranschlagte Bausumme um zwei Millionen Mark unterschritten worden. Wer die Gepflogenheiten der Baubranche kennt, weiß, wie selten so etwas vorkommt. Im Deutschen Dom soll künftig – in stark reduzierter Form – die früher im Reichstag präsentierte Dauerausstellung „Fragen an die deutsche Geschichte“ gezeigt werden.

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