: Keine Wohnung von der Stasi
■ Hellersdorfs Bürgermeister Uwe Klett war zwar Parteisoldat, aber kein MfS-Spitzel. Er habe weder Protokolle abgeliefert noch Verpflichtungserklärungen unterschrieben
taz: Herr Klett, Ihnen wird vorgeworfen, seit 1985 als informeller Mitarbeiter für das MfS gearbeitet zu haben. Gibt es eine Karteikarte mit Ihrem Namen und dem Decknamen IM „Matthias“?
Uwe Klett: Ich habe das Land Berlin umfassend 1992 und 1994 informiert. Was ich damals geäußert habe, dazu stehe ich auch heute. Ich will überhaupt keinen Schlußstrich unter diese ganze DDR-Geschichte ziehen. So bin ich auch zu meiner Wahl zum Bürgermeister vor die BVV getreten mit einem eindeutigen Schuldbekenntnis zu den Dingen, die in der DDR im Namen meiner Partei und all ihrer Strukturen und mit meiner Involvierung passiert sind.
Haben Sie da erwähnt, daß Sie Kontakte zum Ministerium für Staatssicherheit (MfS) hatten?
Ich habe prinzipiell den Ansatz, die DDR in all ihrer Komplexität zu betrachten. An der HFÖ (Hochschule für Ökonomie, d. Red.), wo ich tätig war, haben Parteistrukturen weit mehr eine Rolle gespielt als Berührungen mit dem MfS. Ich habe bei meiner Arbeit als wissenschaftlicher Assistent ein Parteileben geführt und hätte mir nie vorstellen können, daß die Strukturen des MfS sich außerhalb dieser Parteistrukturen befunden haben.
Ich würde mich nie darauf zurückziehen, nur Genosse gewesen zu sein. Ich trage mit die Verantwortung für das, was im System funktioniert hat und damit auch zu Recht zu Grunde gegangen ist.
Sie sagen, daß Sie nicht für das MfS tätig waren, aber Beziehungen hatten. Welcher Art waren diese Beziehungen?
Beziehungen gab es insofern, daß ich in einem sensiblen Bereich des Hochschulwesens der DDR tätig war, nämlich Außenwirtschaftler auszubilden. Wer ein bißchen Einblick gehabt hat in der DDR, weiß, daß die Studenten dort für einen Bereich ausgebildet wurden, wo der normal Sterbliche nicht hingekommen ist.
Jedem war klar, daß da ein besonderes Sicherheitsbedürfnis vorlag. Ich hab dies immer als Parteisache empfunden und nie nachgefragt. Vielleicht war das falsch. Aber ich will auch nicht das MfS allein in die Ecke stellen. Ich kann und will nicht ausschließen, daß im Rahmen dieser dienstlichen Verpflichtung auch Mitarbeiter des MfS sich mit mir unterhalten haben, was ja auch jetzt belegt ist, die haben sich das ja wahrscheinlich nicht aus den Fingern gesogen.
Sie haben aber keine Verpflichtungserklärung unterschrieben oder irgendwelche Protokolle abgeliefert?
Das ist mir nicht bekannt.
Angeblich haben Sie Ihre Wohnung durch das MfS erhalten?
Ich kann Sie gerne in meine Luxuswohnung des MfS einladen. Ich finde es geradezu lächerlich, dem MfS so viel Dummheit zu unterstellen. Ich habe in Friedrichshain ganz bescheiden auf dem Hinterhof gewohnt und war glücklich, über den normalen Weg eine Zuweisung nach Hellersdorf zu bekommen, wo ich heute noch wohne. Was für Fäden dahinter gesponnen wurden, weiß ich nicht. Wenn die Organisationsmethoden des MfS so weit gingen, hinter meinem Rücken Wohnungskontingente zu organisieren, ist das eine Angelegenheit dieser Strukturen gewesen. Ich habe kein Privileg dadurch genossen.
Wie erklären Sie sich, daß ein IM-Vorgang da ist und ein IM „Matthias“ auftaucht?
Ich kenne die Arbeitsstrukturen des MfS nicht. Ich will auch diese Sache nicht von mir drängen. Ich will überhaupt nicht sagen, daß das Leute sind, die subversiv gehandelt haben und alle, die Kampfgruppe, Gewerkschaft oder SED gemacht haben, fein raus sind. Ich hätte mir solche Arbeitsweisen in dieser Konkretheit auch nicht vorstellen können.
Diese Frage hat sich mir überhaupt nicht gestellt, was die da anlegen, wie die beurteilen, was die abschöpfen. Da war ich Parteisoldat, einer, der sehr zur Sache gestanden hat in der DDR. Ich hätte nie den leistesten Verdacht gehabt, daß es Strukturen gab, die bürgerliche Freiheiten dermaßen eingegrenzt haben. Ich stehe aber heute noch dazu, da möchte mich dann bitte schön der BND oder Verfassungsschutz berichtigen, daß es in jeder Gesellschaft Sicherheitsbereiche gibt.
Die DDR war eben so konstruiert, daß gerade der Bereich des NSW (nichtsozialistisches Wirtschaftsgebiet, d.Red.) ein Sicherheitsbereich war. Heute kriege ich ein Schreiben des Verfassungsschutzes, daß wir alle zu belehren haben, die ins Ausland fahren, daß sie um Gottes willen aufpassen müssen, daß sie von Spionen nicht abgeschöpft werden. Das macht der öffentliche Dienst in Berlin. Interview: Gerd Nowakowski
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