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Journalistenquälen im Planspiel

■ Durchsuchungen als Prüfungsthema / Neumann: Generalstaatsanwalt entlassen (s.S. 4, 22)

Die Durchsuchungen von vier Bremer Redaktionen durch Staatsanwaltschaft und Polizei schlägt immer noch hohe politische Wellen. Und die Auseinandersetzung hat an Schärfe zugenommen. Neben allerlei Medienverbänden und lokalen PolitikerInnen hat sich gestern der CDU-Landesparteichef Bernd Neumann in die Debatte eingeschaltet. Die Durchsuchungen seien „ein Skandal erster Güte“. Nun müsse Justizsenator Henning Scherf Generalstaatsanwalt Hans Janknecht entlassen. Was der offensichtlich nicht vorhat. Scherf selbst war wiederum nicht zu erreichen. Dafür erklärte Justiz-Staatsrat Michael Göbel, er sehe keinen Grund für eine Entlassung. Die Durchsuchungen seien richterlich angeordnet worden, Radio Bremen habe Beschwerde eingelegt, die ebenfalls richterlich geprüft werde. Göbel: „Ein Schnellschuß von Neumann, den man schnell wieder vergessen sollte.“ Janknecht selbst sagte dazu auf Anfrage der taz „nichts“. Und die erste Erklärung von der SPD ist eingetroffen. Die Durchsuchungen seien „unverhältnismäßig und überzogen“, sagte der Vorstand des Unterbezirks Bremen-Stadt. Die Grünen haben in der Bürgerschaft eine aktuelle Stunde zum Thema beantragt.

Unterdessen sind Details aus der staatsanwaltschaftlichen Vorbereitung der Durchsuchungen bekannt geworden. Die Verantwortlichen haben sich offensichtlich sehr gründlich vorbereitet. Zum Beispiel Jan Frischmuth, Chef der Staatsanwaltschaft. Am 8. August war Frischmuth Prüfer für ein zweites Staatsexamen beim juristischen Prüfungsamt in Hamburg – ein gemeinsames Amt von Hamburg, Bremen und Schleswig-Holstein. Drei Prüflinge saßen vor ihm, und sie bekamen von Frischmuth – er habe da gerade einen aktuellen Fall – folgendes Thema: Ein interner Bericht des Landesrechnungshofes über das Finanzgebaren eines Staatsrates wird illegalerweise an die Presse gespielt. Der Rechnungshofpräsident stellt Strafanzeige. Wer hat sich strafbar gemacht? Wie kommt man an das Papier ran? Darf der Staatsanwalt bei den betroffenen Redaktionen durchsuchen oder nicht? Wie würden Sie entscheiden?

Journalistenquälen im Planspiel, mitten in einer öffentlichen Prüfung: „Der hat uns exakt den Fall aufgegeben, der gerade passiert ist“, berichtet eine betroffene JungjuristIn. Alle Prüflinge seien zu dem für den Bremer Staatsanwalt befriedigenden Schluß gekommen, daß man unter Umständen bei den Medien durchsuchen und beschlagnahmen dürfe. Die aufkeimende Diskussion, ob die Aktion denn verhältnismäßig sei, „die hat er sofort abgewürgt“, so die ZeugIn. Genauso wie die Debatte, ob denn nicht zuerst bei den beiden Ressorts geforscht werden sollte, die als Quelle der Indiskretion in Frage kämen. „Da hat der Frischmuth gesagt, das hätte doch sowieso keinen Sinn. Das sei viel zu viel Aufwand.“ Originalton Frischmuth nach der Aussage der ZeugIn: „In den Behörden halten doch sowieso alle dicht, die decken sich gegenseitig.“ Ende der Diskussion. Nebenbei: Die drei Prüflinge haben bestanden.

Seit dem 27. Juli ist die Durchsuchungsaktion innerhalb der Staatsanwaltschaft diskutiert worden. Und in den letzten Tagen war durch die Flure gegeistert, „daß da was Großes ansteht“, hieß es gestern aus Justizkreisen. Was Großes, bei dem der normale Dienstweg verlassen worden ist. Bei Durchsuchungen dieser Dimension muß immer die Spitze des Justizressorts eingeweiht sein, sagt eine Anordnung des Justizsenators. Danach muß die Staatsanwaltschaft vorab über Verfahren berichten, die unter anderm „über die übliche örtliche Gerichtsberichterstattung hinaus Gegenstand von Erörterungen in den Medien sind oder voraussichtlich sein werden oder in denen Justizbehörden Erklärungen gegenüber den Medien abgegeben haben oder abzugeben beabsichtigen.“

Das Justizressort wurde allerdings erst unterrichtet, als die Durchsuchungen schon liefen. Warum, das wollte der hörbar vergräzte Oberstaatsanwalt Janknecht, dessen Aufgabe die Berichterstattung gewesen wäre, nicht sagen. „Es ist nicht passiert. Dazu gebe ich keine Auskunft.“ J.G.

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