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Ein altes Bier mit Ökofahne

Bei der mittelständischen Brauerei Schmucker sind Dosen tabu. Hopfen und Gerste stammen aus kontrolliertem Anbau  ■ Aus Mossau Klaus-Peter Klingelschmitt

Die gewaltigen Kupferkessel im verglasten Sudhaus glänzen in der Nachmittagssonne. Blitzsauber sieht das gesamte Betriebsgelände der Privatbrauerei Schmucker KG aus – so sauber wie der Odenwald im Mossautal, der auf Initiative der Brauerei einmal im Jahr von Unrat befreit wird. Friedrich M. Lippmann ist der Boß der Schmucker KG und Werner Volk sein Verkaufsleiter. Wenn Lippmann das Wort ergreift, hat Volk Sendepause. Schmucker ist schließlich seit 1780 ein Familienbetrieb – und Lippmann seit 1978 das Familienoberhaupt.

Daß schon sein Vater auf die Natur als Werbeträger setzte, habe der Brauerei das Überleben gesichert, ist der Firmenchef überzeugt. „Ökologische Behutsamkeit“ nennt Lippmann heute die Unternehmensphilosophie der Brauerei mit aktuell 140 Beschäftigten. Der röhrende Hirsch als Protagonist der Werbung hat seit dieser Sommersaison ausgedient. „Greenpiece“ heißt heute der Kasten Bier aus dem Hause Schmucker. Die Plakate zieren flotte Sprüche wie: „Keine Macht den Dosen!“ Und das „Greenpiece“ fliegt dazu durch einen weißen Orbit.

„Dosen oder Einwegflaschen gab es nie und wird es nie bei uns geben“, sagt Lippmann bestimmt. Denn Dosen seien schon bei der Produktion umweltschädlich – und nach dem Wegwerfen auch. Die Schmucker KG bezieht ihre Braugerste ausschließlich von Bauern aus der Region, die sich verpflichtet haben, ihre Felder nach den Regeln des „kontrollierten integrierten Landbaus“ zu bewirtschaften. Den Hopfenbauern aus der Hollerdau wird nur eine einzige Grunddüngung zugestanden, und Pflanzenschutzmittel erlaubt Schmucker seinen Zulieferern lediglich, wenn diese biologisch vollständig abbaubar sind. Schmuckers Brauwasser kommt aus eigenen Tiefbrunnen. Und es ist mit 1,2 Grad Härte besonders weich. Analysen unabhängiger Institute bescheinigen den Odenwäldern Jahr für Jahr die „perfekte Brauqualität“ ihres Wassers. Und weil auch weite Fahrten mit den Bierlastzügen die Ökobilanz belasten würden, liefert Schmucker sein Bier nur in einem Radius von 60 Kilometer rund um die Brauerei aus, beteuert Lippmann.

Ist ein Bier von Schmucker Ökobier? Die Apologeten der reinen Lehre, die vor allem den Hopfen ihrer Vertragsbauern von anerkannten Verbänden für den ökologischen Landbau kontrollieren lassen, werden die Nasen rümpfen. Doch auch die Experten von Öko- Test halten die Pestizide in der Braugerste und im Hopfen für nicht allzu problematisch, weil sie bei der Gärung herausgefiltert werden. Bedenklicher sei die Nitratbelastung von Bier durch das Brauwasser. In beiden Fällen hält Schmucker gute Karten: Natürlich gefiltertes und von unabhängigen Instituten untersuchtes Brauwasser. Und eine hauseigene Kläranlage zur Ausfilterung von Restschadstoffen nach der Gärung.

Und wie gut geht es der Brauerei? „Cash-flow 25 Mark pro Hektoliter.“ Mehr ist Lippmann dazu nicht zu entlocken. 230.000 Hektoliter Bier verkaufte Schmucker 1995. Die Traditionsbrauerei ist damit im vergangenen Jahr auf Platz 112 der nationalen Topliste der Branche vorgerückt. Doch so ganz spurlos ging der für viele kleinere Brauereien ruinöse Verdrängungswettbewerb in der Branche auch an Schmucker nicht vorbei. Versender- und Dosenbiere von Großbrauereien überschwemmten den Markt und verderben die Preise, klagt Lippmann.

Vergebliche Angebote der Großbrauereien

Giganten der Branche wie Brau und Brunnen mit Jahresumsätzen von bis zu zehn Millionen Hektolitern versuchen unabhängige Brauereien mit lukrativen Übernahmeangeboten zu schlucken. Doch Lippmann meint dazu, auch die Saurier seien alle ausgestorben, während sich kleinere Lebensformen den veränderten Umweltbedingungen angepaßt hätten. Jedenfalls hat er bislang alle Übernahmeangebote selbstbewußt zurückgewiesen: „Die Herren von den Braukonzernen waren schneller wieder draußen, als sie hereingekommen waren.“

Daß er bei Verhandlungen ein „harter Knochen“ sei, bescheinigt ihm auch der Geschäftsführer der Gewerkschaft Nahrung, Genuß, Gaststätten (NGG) für die Bezirke Darmstadt und Mainz, Heinz Süßelbeck. Dennoch konnte dem aus dem Unternehmerverband ausgetretenen Lippmann ein Haustarifvertrag abgerungen werden, mit dem die Ausgrenzung von Fahrern, Schreinern und Elektrikern aus der Brauereibelegschaft verhindert wurde. Wie in den Großbrauereien schon lange üblich wollte auch Lippmann die hohen Tarife im Brauereigewerbe (NGG) umgehen. 4.094 Mark verdient etwa ein „Bierkutscher“ nach NGG-Tarif als Brauereimitarbeiter; als Lkw-Fahrer nach ÖTV-Tarif hat er rund 1.400 Markweniger in der Lohntüte. Doch für 50 Prozent Abschlag beim Weihnachtsgeld werden jetzt bei Schmucker alle Angestellten weiter nach Brauereitarif bezahlt.

Den Haustarifvertrag nennt Lippmann leicht süffisant die „soziale Philosophie“ seines Unternehmens. Die zweite einzigartige Vereinbarung bei Schmucker heißt „ökologischer Tarifvertrag“. In der Präambel steht die Verpflichtung zu rohstoff- und energieschonendem Wirtschaften. Und Schmuckers Ausbildungsverordnung umfaßt heute auch eine Ausbildungsposition Umweltschutz. Geschäftsführung und Betriebsrat richteten einen paritätisch besetzten Umweltausschuß ein. Außerdem will Lippmann einen Ökologen zum Umweltschutzbeauftragten der Brauerei ernennen. Nicht nur bei der Bierherstellung, sondern auch bei der Einrichtung von Gaststätten oder beim Kauf neuer Bierlastzüge soll er die „ökologischen Behutsamkeit“ umsetzen.

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