Das Portrait: Li-bu-da, Li-bu-da
■ Stan Libuda
Wann ist ein Mensch tot? Wenn er gestorben ist, begraben. Beerdigt und vergessen. Reinhard „Stan“ Libuda ist tot, gestorben am Sonntag mit 53 Jahren nach einem Schlaganfall. Die ihn erlebt haben, werden traurig sein. Vergessen werden sie ihn nie.
Der Mann war und ist eine Revierlegende. Sie nannten ihn früh „Stan“, weil er Fußball zelebrierte wie der geadelte Sir Stanley Matthews auf der Insel. „Keiner kommt an Gott vorbei, nur Libuda.“ Ein Scherz, über den sie lange im Kohlenpott lachten. Nur „Stan“ selbst nicht, der an der Außenlinie die Gegner tanzen ließ, daß die Fans auf den Sitzen standen.
Ein Schalker Junge blieb er bis letzten Sonntag. Kurz nur war sein Gastspiel in Dortmund, wo er 1966 seinen größten Erfolg erlebte: Den Gewinn des Europapokals der Pokalsieger. Libuda schoß das entscheidende Tor.
Nicht, daß er in Serie Jahrhundertspiele ablieferte. Oft stand er auch traurig an der rechten Seite, wenn die Tricks nicht klappten. Aber wenn es lief, dann wurde die Gelsenkirchener Glückaufkampfbahn zur Oper. „Li- bu-da“ hallte der Chor, daß es noch heute in den Ohren dröhnt. 1972 wurde er noch einmal Pokalsieger mit Schalke. Dann ging es bergab. Sperre wegen Beteiligung am Bundesliga-Skandal, kurzes Gastspiel in Frankreich, wo er nie wußte, was er da sollte. Heimkehr nach Schalke, zwei, drei Abschiedsspiele. 18 Jahre sollten ihm noch bleiben. 18 Jahre, in denen er am Leben vorbeidribbelte. Die Ehe ging in die Brüche, das erspielte Geld, Mietshäuser, Tabakladen waren verpulvert – keiner weiß, wie und warum. Niemanden ließ er mehr an sich heran. „Stan“ wohnte bei Mutter, arbeitete als Hilfsarbeiter in einer Druckerei. Bei einer Besichtigung mußte er mal einen Ölfleck aufwischen. Da hat er gesagt: „Mutti, das hätte ich nie geglaubt, daß ich mal so da knie.“ Sie wollten ihm helfen, die Kollegen von damals. Libuda lehnte alles ab. „Mir geht es gut“, sagte er und meinte: „Laßt mich in Ruhe.“ Vor vier Jahren wurde die chronische Heiserkeit so stark, daß die Ärzte feststellten: Kehlkopfkrebs. Wenn sie am Grab stehen, werden allen die Worte fehlen. Den scheusten Liebling der Massen, den der Fußball je hervorgebracht hat, wird keiner gekannt haben.
„Li-bu-da“, vielleicht ist es ein Trost: Wen die (Fußball)- Götter lieben, den holen sie früh zu sich. Ulrich Homann
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen