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Die Luxusreise – aus Geldnot geboren

■ Ohne Kreuzfahrten wäre die Passagierschiffahrt weltweit längst untergegangen

Die pure Geldnot trieb die Reeder vor über 100 Jahren dazu, luxuriöse Kreuzfahrten für betuchte Passagiere zu organisieren. Während die Schiffe der Hamburg-Amerika-Linie in den Sommermonaten mit Auswanderern und anderen Passagieren auf dem Nordatlantik kreuzten, lagen sie in den rauhen und stürmischen Wintermonaten oft leer an der Kaje. Um die Bilanz auszugleichen, kam Albert Ballin, damaliger Direktor der Hamburg-Amerikanischen Packetfahrt-Actien-Gesellschaft (Hapag) auf die Idee, die Schiffe im Winter mit Passagieren an Bord auf Kreuzfahrt zu schicken.

Am 22. Januar 1891 stach die „Augusta Victoria“ in Cuxhaven zu einer luxeriösen „Orient-Excursion“ in See. Die Reiseroute führte die 241 betuchten Passagiere über britische, protugiesische, italienische und griechische Häfen bis nach Konstantinopel, Jaffa und Beirut. In den 13 Häfen, die das Schiff anlief, versuchten die Veranstalter, ihre Passagiere mit sogenannten „Landprogrammen“ bei Laune zu halten. Das muß ihnen offenbar gelungen sein: Als die „Augusta Victoria“ nach zwei Monaten wieder in Cuxhaven festmachte, war eine neue Art zu Reisen geboren: Die Kreuzfahrt.

Wegen der großen Nachfrage entschloß sich die Hapag, jedes Jahr zwei Orient-Kreuzreisen anzubieten. Schon bald wurden die Reiserouten erweitert: 1894 machte die „Augusta Victoria“ die ersten Nordland-Kreuzreise. Zwei Jahre später brach das Schwesternschiff „Columbia“ zu einer Kreuzfahrt nach Westindien auf.

Die aus der Not heraus geborenen Idee mauserte sich zu einem einträglichen Geschäftszweig: 1900 stach „Prinzessin Victoria Luise“ für Hapag in See. Die Prinzessin war das erste Schiff, das speziell für Kreuzfahrten gebaut worden war. Sechs Jahre später hatte Hapag bereits eine kleine Flotte aus drei reinen Kreuzfahrschiffen.

Bis nach dem ersten Weltkrieg behauptete sich Hapag als Kreuzfahrt-Monopolist. Erst in den zwanziger Jahren entbrannte ein erbitterter Konkurrenzkampf um die Gunst der Passagiere: Hapag und der Norddeutschen Lloyd unterhielten neben ihren Schnelldampfern für die Liniendienste nun auch reine Kreuzfahrflotten. Ein kleinerer Konkurrent, die Reederei Hamburg-Süd, versuchte, ihre Kreuzreisen auch weniger betuchte Gesellschaftsschichten schmackhaft zu machen. Als Rezept setzte die Reederei auf einfache Schiffe und niedrige Preise.

Eine Idee, die die Nationalsozialisten unter programatischen Gesichtspunkten aufgriffen. Das Amt für Reisen, Wandern und Urlaub sowie die aus der Deutschen Arbeiterfront hervorgegangene Freizeitorganisation „Kraft durch Freude“ (KDF) unternahm mit gecharterten Schiffen ab 1934 sogenannte „Gruppenfahrten für die Volksgenossen“. Mit fünf Schiffen und 150.000 Passagieren war die KDF-Flotte 1937 die größte Kreuzfahrflotte ihrer Zeit und nahm ein Marktvolumen ein, daß 1986 im ehemaligen Westdeutschland erstmals wieder erreicht wurde.

Als 1955 mit der neugegründeten Fluglinie Lufthansa der deutsche Luftverkehr nach dem Zweiten Weltkrieg wieder freigegeben wurde, hatten die Passagierschiffe so gut wie ausgedient. Der Liniendienst, der in der Passagierschifffahrt – vor allem über den Nord- und Südatlantik – noch eine wichtige Rolle gespielt hatte, wurde überflüssig. Flugzeuge eroberten die Lüfte und Passagiere. Die Passagierschiffahrt lief Gefahr, auf Grund zu laufen. Die Reederein standen vor der Alternative, ihre Passagierschiffe zu verschrotten oder sich auf Kreuzfahrten zu konzentrieren. Deshalb wurden Transatlantikliner zu Kreuzfahrschiffen umgebaut. In den 70er Jahren gingen die Reedereien dazu über, sich spezielle Kreuzfahrschiffe bauen zu lassen. Heute fährt nur noch die „Queen Elizabeth II“ in den Sommermonaten zwischen Southampton und New York Passagiere hin- und her. Ansonsten würde es ohne die Kreuzfahrten keine Passagierschiffahrt mehr geben.

kes

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