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„Eine Nische findet sich immer“

■ „Mütter lernen in Altona“ will Berufseinsteigerinnen fit machen

„Mütter lernen in Altona“ – der altbackene Titel täuscht. Als Beitrag zum Armutsbekämpfungsprogramm fördert die Stiftung berufliche Bildung Frauen, die nach der Familienphase wieder ins Berufsleben einsteigen wollen – und zwar ganz modern. Das Angebot richtet sich nicht nur an Mütter, sondern an alle Frauen, die einen Neuanfang im Beruf wagen wollen.

„Was soll ich nur machen“, hatte sich die 34jährige Andrea H. nach drei Jahren Erziehungsurlaub gefragt. Für ihren Beruf als Glas- und Porzellanmalerin sah sie wenig Chancen – „viel zu speziell“. Des Geldes wegen und weil ihr Sohn jetzt in den Kindergarten geht, ist sie auf Jobsuche. Konkrete Vorstellungen hat sie nicht, doch kreativ soll der Beruf sein, eine Arbeit, die ihr am Herzen liegt. „Mit 16 Jahren hat man sich vielleicht noch in etwas hineinpressen lassen, was man gar nicht machen wollte“, sagt sie. Doch Individualität auszuleben fällt schwer in einer Gesellschaft, die sich an geradlinigen Männer-Karrieren orientiert. Der Kurs, der von der Behörde für Berufsbildung gefördert wird, brachte Andrea H. zum ersten Mal mit Gleichgesinnten zusammen. „Aus der Isolation herauszutreten war sehr wichtig für mich“, sagt sie.

Jedes Treffen beginnt mit einem Erfahrungsaustausch: Welche neuen und nützlichen Informationen oder Beratungsstellen hat eine jede entdeckt? Dann geht es unter anderem um Computer und Bewerbungen, Selbstbehauptung, um die Mutter-Frauen-Rolle, Arbeitsmöglichkeiten für Migrantinnen oder Rentenberatung. Besuche beim Arbeitsamt oder der Abteilung Arbeitsförderung beim Sozialamt sollen die Schwellenangst gegenüber Behörden nehmen. Die Frauen erhalten aber auch Unterstützung und Beratung für ihren persönlichen Weg.

Seit Februar 1996 haben etwa 30 Frauen zwischen 32 und 52 Jahren die kostenlosen Kurse besucht, darunter Krankenschwestern, Lehrerinnen, Fotografinnen – aber auch Frauen ohne Ausbildung, wie Kursleiterin Karen Haubenreisser erklärt. Die Frauen können jederzeit einsteigen. Bislang ist das Projekt – ein ähnliches gibt es in Eidelstedt – jedoch nur bis 1997 gesichert.

Auffällig viele Ratsuchende sind hochqualifiziert, sprechen mehrere Sprachen oder haben mehrere Ausbildungen hinter sich, wie Sabine V. Die 41jährige Diplompsychologin hatte vor ihrem Studium eine kaufmännische und eine Ausbildung als Erzieherin gemacht. Dennoch ist sie im dritten Jahr arbeitslos. „Ich müßte halt jünger sein und 15 Jahre Berufserfahrung haben“, kommentiert sie ihre vielen vergeblichen Bewerbungen. Von dem Kurs erwartet sie sich Orientierung: „Zu wissen, was man nicht will, ist ja auch schon ein Erfolg“, sagt sie, „um dann mutig zu sein und mit aller Energie auf ein Ziel hinzuarbeiten. Eine Nische gibt es immer.“ Patricia Faller

Mütter lernen in Altona, dienstags und donnerstags 9 bis 13 Uhr, Jugendcafé Altona Nord, Kieler Straße 58, Tel.: 39 24 14.

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