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Auf der Suche nach Partnern

■ Der russische Außenminister Jewgenij Primakow kommt heute für zwei Tage nach Deutschland. Der ehemalige Hardliner setzt auf Kooperation mit dem Westen

Moskau (taz) – Jewgenij Primakow war nicht gerade ein Wunschkandidat des Westens. Als der Chef des russischen Auslandsspionagedienstes neuer Außenminister wurde, sah der Westen bereits Gewitterwolken über Moskau zusammenziehen. Schon die äußeren Attribute reichten, um einen deutlichen Kurswechsel vorauszusagen. Soeben beherrschte noch der weltläufige Außenminister Andrej Kosyrew die Bühne. Nun ein Apparatschik, der allen Generalsekretären der KPdSU seit Breschnew gedient hatte. Hier Kosyrew, der die Integration Rußlands in den Westen anstrebte, dort Primakow, ein Orientspezialist, der der anderen Hemisphäre keine besondere Vorliebe entgegenbrachte und wohl eher danach trachten würde, die verlorene Macht Rußlands wiederherzustellen. Heute trifft der russische Außenminister erstmals zu einem zweitägigen Besuch in Deutschland ein.

Primakow trat ein schweres Erbe an. Seit dem Zerfall der UdSSR kämpft das neue Rußland mit dem Bedeutungsverlust in der Weltpolitik. Moskau tat sich schwer, ein außenpolitisches Konzept zu entwickeln, das im Innern auch konsensfähig gewesen wäre. Hinzu kamen die Rivalitäten der Akteure, die in der internationalen Arena mitmischen wollten.

Neben dem Außenministerium schaltete sich immer heftiger auch das Verteidigungsministerium ein, vor allem im Bosnienkonflikt und der Nato-Erweiterung. Zu guter Letzt betrieb auch die Staatsduma ihre eigene Politik. Im März erklärte sie den Auflösevertrag der Sowjetunion von 1991 für null und nichtig, was den Rest der Welt kurzzeitig in Angst und Schrecken versetzte. Erwartungsgemäß setzte Primakow von Anfang an andere Prioritäten. Er erklärte die Einbindung der GUS-Staaten zu einem vorrangigen Ziel und bereiste die ehemaligen Republiken sofort nach Amtsantritt, noch bevor er sich mit westlichen Kollegen traf. Quer durch die politischen Lager haben sich die Eliten darauf als Grundkonsens auch einigen können. Die Ergebnisse, mit denen der Außenminister zurückkehrte, mußten dennoch eher entmutigen. Zwar schlossen sich Rußland, Weißrußland, Kasachstan und Kirgisien zu einem engeren Verbund innerhalb der GUS zusammen. Doch bedeutet das nicht eher, die übrigen Mitglieder der Gemeinschaft verspüren kein Interesse, engere Bindungen einzugehen? Die mittelasiatischen Staaten hoffen lediglich darauf, Rußland möge ihnen wirtschaftlich entgegenkommen.

Moskau wird nicht davon ablassen, die GUS als natürliche Einflußsphäre zu betrachten. Am liebsten sähe man, würde der Westen dem Kreml für diese Region einen Freibrief ausstellen. Denn sie birgt auch in Zukunft den Schlüssel der anvisierten neuen Großmachtrolle: Rußland als eurasische Ordnungsmacht und Stabilisator.

Primakow ist hingegen Realist genug, um zu wissen, daß Macht und Einfluß ohne wirtschaftliche Kraft nur mit Gewalt und unter erheblichen Kosten erreicht werden können. Bisher räumt er politischen Zielen keinen Vorrang vor ökonomischen Rentabilitätskriterien ein. Dem Westen wirft er vor, in die Fußstapfen der Sowjetunion zu treten. Trotz allem bemüht sich die Außenpolitik, im Verhältnis zum Westen keine unnötigen Turbulenzen zu verursachen. Allerdings wird das russische Verhalten nun zwischen Polen oszillieren, zwischen Konflikt und Kooperation, als Partner und als Widerpart, um ein eigenständiges Profil zu entwickeln. In diesem Zusammenhang schaut sich das Ministerium nach anderen Partnern in der Welt um. So knüpfte man wieder Kontakte mit Kuba und Nordkorea. Größere Hoffnungen setzt Moskau auf eine Kooperation mit China, das neben Deutschland Rußlands wichtigster Handelspartner ist. Dabei dürfte das verknüpfende Band vor allem der Widerwille sein, die USA als alleinige Ordnungsmacht auf dem Globus anzuerkennen.

Die Partnersuche kennt keine ideologischen oder religiösen Hindernisse. Versuchte Moskau anfangs, den Tschetschenienkrieg auch als einen Vorstoß der islamischen Welt hinzustellen, hegte es keine Bedenken, intensive Beziehungen zum Iran zu unterhalten und Teheran mit ziviler Atomenergie auszurüsten.

Verständnisvoll verfährt Rußland auch mit dem Irak. Als ehemaliger Korrespondent im Nahen Osten verbindet Primakow eine persönliche Freundschaft mit Saddam Hussein. Im neuen Konflikt wird sich Primakow nicht widerspruchslos den USA beugen. In ersten Reaktionen warnte das Außenministerium: „Die Entwicklungen im Golf nehmen eine extrem gefährliche Wendung“. Den Amerikanern wird die Schuld an der Eskalation gegeben. Rußland wird sich womöglich zum Anwalt des Iraks ernennen. Die Beziehungen zu den USA werden darunter leiden. Doch fehlen die Mittel, wirkungsvoll in den Konflikt einzugreifen.

Trotz aller Bemühungen verläuft die Suche nach Verbündeten nicht zufriedenstellend. Je näher die Nato-Erweiterung rückt und die russische Einsicht wächst, dem keinen Widerstand leisten zu können, desto verstockter wird man im Kreml reagieren. Daher wäre es wünschenswert, wenn der Westen etwas mehr Verständnis für Rußlands Isolationsangst aufbrächte. Sonst würde leichtfertig eine Chance verspielt. Denn Primakow gehört nicht zu den Hardlinern. Er hat bereits bewiesen, daß ihm an der Integration in europäische Institutionen und einem kooperativen Verhältnis zum Westen gelegen ist. Klaus-Helge Donath

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