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Heilung durch Muschelkalk

Vor 200 Jahren entwickelte Samuel Hahnemann die Homöopathie / Wer diese Heil-Praktik erlernen will, braucht vor allem Zeit und Geld  ■ Von Vera Stadie

Angefangen hat alles mit dem Chinarinden-Experiment. Im Selbstversuch entdeckte der deutsche Arzt Samuel Hahnemann vor genau 200 Jahren, daß die Chinarinde, damals als Heilmittel für Malaria (Wechselfieber) angewandt, bei gesunden Menschen ebenfalls eine Art Fieber erzeugt. Weitere Versuche bestätigten ihn in seiner Idee, daß sich Krankheiten mit solchen Arzneimitteln behandeln lassen, die bei gesunden Menschen ähnliche Symptome hervorrufen. Homöopathik (homoion pathos = „ähnliches Leiden“) nannte Hahnemann seine neue Heilmethode.

HomöopathInnen vergleichen die bei Tests an gesunden Menschen ermittelten charakteristischen Symptome, die ein Mittel hervorruft, mit den Symptomen des jeweiligen Kranken und wählen daraufhin für die Behandlung das Mittel, das die größten Ähnlichkeiten zeigt. Mittlerweile stehen ihnen weit über 2000 homöopathische Arzneien zur Verfügung – Grundlagen sind Pflanzen von Arnika bis Tollkirsche, tierische Produkte, wie der getrocknete Beutel des Tintenfisches und Kalk aus Austernschalen, oder Mineralien. Sie werden meist in Form von Tropfen oder Streukügelchen verabreicht, in der schon sprichwörtlichen „homöopathischen Dosis“. Die Verdünnungen – Potenzen genannt – reichen vom Verhältnis eins zu zehn bis eins zu 50.000. Charakteristisch für die homöopathische Behandlung ist, daß jedeR PatientIn individuell und ganzheitlich betrachtet wird. Deshalb steht zu Beginn eine ausführliche Befragung, bei der auch psychische Verfassung oder Lebensumstände eine Rolle spielen.

Wer sich zum/r HomöopathIn ausbilden lassen will, muß ein paar Jahre die Schulbank drücken. In Hamburg ist das derzeit nicht möglich, denn „Archäus“, das Hamburger Seminar für Homöopathie, das einen dreijährigen Abend- und einen einjährigen Tageslehrgang anbot, muß wegen finanzieller Schwierigkeiten schließen. „Homöopathie ist nicht einfach zu lernen“, sagt Archäus-Mitbegründerin Helga Hasselbusch-Feiler, „das braucht eine gründliche Ausbildung und kostet eine Menge Zeit und Geld.“ Beides könnten viele heutzutage nicht mehr aufbringen.

Geplant ist, im kommenden Jahr in Hamburg eine Schule für Homöopathie zu eröffnen. Ab Herbst 1997 soll eine dreijährige kombinierte Homöopathie- und Heilpraktiker-Ausbildung möglich sein, wie sie das Homöopathie-Forum in München anbietet. Dort beginnt jährlich im September eine zweijährige Heilpraktiker-Schulung, anschließend folgt die einjährige Homöopathie-Ausbildung. Eine Heilpraktiker-Ausbildung mit Schwerpunkt Homöopathie und eine Wochenendausbildung in Homöopathie bietet die Samuel-Hahnemann-Schule in Berlin an. Dort ist man, wie auch in München, offen für Veränderungen und neue Strömungen, beispielsweise die zunehmende Bedeutung der Psychologie für die homöopathische Behandlung.

Die Clemens-von-Bönninghausen (CvB)-Akademie in Wolfsburg hingegen hat sich der Lehre von Hahnemann verschrieben, wie sie im Buche steht. Dort hält man sich bei der Ausbildung streng an Hahnemanns Ermahnung: „Macht's nach, aber macht's genau nach!“ und an die Regeln, die er in seinem Werk „Organon der Heilkunst“ aufgestellt hat. Die CvB-Akademie bietet HeilpraktikerInnen, ÄrztInnen und Laien mit guten medizinischen Kenntnissen ein dreijähriges Studium der Homöopathik an. Die AbsolventInnen, per Zertifikat als „Klassische HomöopathInnen“ ausgewiesen, verpflichten sich, die Homöopathik als alleinige Heilmethode auszuüben und ihre strengen Regeln zu beachten.

Das Berufsbild HomöopathIn ist gesetzlich nicht geschützt oder geregelt. Jede/r kann sich so nennen, egal wie viel sie oder er von Homöopathie versteht. Gesetzliche Vorschriften gibt es nur für ÄrztInnen, die die Zusatzbezeichnung Homöopathie tragen wollen. Die Weiterbildungsordnung der Hamburger Ärzte schreibt dafür unter anderem eine mindestens zweijährige klinische Fortbildung und einen Kurs in homöopathischer Therapie vor. Zum Abschluß müssen die ÄrztInnen eine Prüfung bei der Ärztekammer ablegen.

Informationen über die geplante Homöopathie-Schule in Hamburg: Bindia Schmieder, Tel. 850 87 36. Homöopathie-Forum München: Tel. 089/850 03 56; Samuel-Hahnemann-Schule, Berlin: Tel. 030/323 30 50, Mo-Fr 10-15 Uhr; Clemens-v.-Bönninghausen-Akademie: Frau Wedemeyer, Tel. 645 47 96, Mi 16.30-19.30 Uhr

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