: „Im Jammern immer gut“
■ Tarifkonflikt im Einzelhandel spitzt sich weiter zu: Warnstreik bei „real“
„Breite Gänge, freie Bahn. Sie kommen schnell durch“, versprach die Supermarkt-Kette „real“ gestern per Zeitungsbeilage – nur „durch“ kam man nur schwer. Vor den Verbrauchermärkten in Habenhausen, Ihlpohl und im Weserpark standen Streikposten der Gewerkschaften HBV und DAG. Grund: Morgen tagt zum wiederholten Mal die Tarifkommission des Einzelhandels, und nach den Erklärungen von Arbeitgeber- und Gewerkschaftsseite ist eine Einigung nach wie vor in weiter Ferne. Damit trudelt Bremen auf einen scharfen Arbeitskampf zu: „Wenn es kein wesentlich verbessertes Angebot der Arbeitgeber gibt“, drohte gestern DAG-Bezirksleiter Hartmut Frensel, „dann werden wir die Aktionen ausweiten. Das geht bis zum unbefristeten Streik.“
Daß der kommt, scheint fast schon sicher, denn die Positionen der Tarifgegner sind so verhärtet wie schon seit Wochen. Daran haben auch die Tarifabschlüsse in Rheinland-Pfalz, Bayern und dem Saarland nichts geändert. Dort hatten Arbeitgeber und Arbeitnehmer abgestufte Zuschläge für die Arbeit ab 18.30 und die Lange-Samstags-Schichten vereinbart. Genau da liegt die Bremer Sollbruchstelle. „Bei unserer Arbeitslosigkeit und der Lage beim Einzelhandel kann das hier niemand leisten“, argumentiert Norbert Caesar, der Verhandlungsführer der Arbeitgeber. Mehr als die 1,85 Prozent Lohnerhöhung, die sein Verband in Anlehnung an die bereits ausgehandelten Tarife vorgeschlagen habe, sei eben nicht drin. Sonst würden viele kleine und mittlere Betriebe in den Konkurs getrieben. Ohnehin sei die Stimmung im Arbeitgeberlager gereizt. Caesar: „Je kleiner die Läden sind, desto mehr geht es ans Eingemachte.“ Viele der Kleinhändler hätten dem Verband mit Austritt gedroht, wenn – wie in den anderen Tarifgebieten – über eine Lohnerhöhung hinaus Zuschläge ausgehandelt würden. „Und das wäre das Ende des Flächentarifvertrags. Daran können die Gewerkschaften auch kein Interesse haben.“
Die quittieren die Argumente der Arbeitgeber nur noch mit Hohn: „Im Jammern war der Einzelhandel in Bremen immer schon gut“, sagte gestern DAG-Bezirksleiter Frensel. Die DAG hatte gemeinsam mit der HBV die Streikaktionen organisiert, in allen Betrieben seien Urabstimmungen durchgeführt worden, und bis auf die Beschäftigten bei Karstadt hätten sich alle für den Arbeitskampf ausgesprochen. „Die Beschäftigten haben schon Angst um ihren Arbeitsplatz, und es ist klar, daß wir den Bogen nicht überspannen dürfen.“ Aber die Probleme des Einzelhandels hätten unter anderem mit politischen Fragen wie der fehlenden Attraktivität der Innenstadt zu tun, „das kann man nicht auf dem Rücken der Arbeitnehmer austragen.“ Neben den Zuschlägen fordern die Gewerkschaften eine Regelung zur Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, und eine Klausel, daß ArbeitnehmerInnen, die beispielsweise kleine Kinder zu versorgen hätten, nicht am Abend eingesetzt werden. „Man kann sich über alles unterhalten“, sagt Norbert Caesar von den Arbeitgebern. „Nur die Obergrenze steht für uns fest.“ J.G.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen